18 Gänsehaut Stories
reif, weich und rotwangig wie einer von den Pfirsichen ihres Vaters. Da aber ihr Vater einer der reichsten Pächter weit und breit war, wurde sie nicht nur wegen ihrer äußeren Reize, sondern auch wegen ihrer großen Mitgift von den Burschen der Gegend umschwärmt. In dieses Mädchen also verliebte sich der Schulmeister Ichabod, und auch bei ihm spielte die Aussicht, auf diesem Umweg den prächtigen Besitz ihres Vaters zu erben, keine geringe Rolle.
Er mußte jedoch feststellen, daß er außer einer Anzahl von Schwärmern, die sich wenig Hoffnung auf die Gunst des Mädchens machen konnten, sehr wohl einen ernstzunehmenden Rivalen besaß, dessen Art und Wesen es eben bewirkt hatten, daß die anderen Burschen mehr oder minder freiwillig zurückgetreten waren und dem Mädchen nur noch aus der Ferne schöne Augen machten. Der Bursche hieß Abraham, wurde aber Brom van Brunt genannt, und das ganze Land sprach von seinen Taten. Er war breitschultrig und sehnig, trug kurzes krauses schwarzes Haar und hatte ein grobes, aber nicht unschönes Gesicht, in dem sich Schalk und Hochmut mischten. Wegen seiner herkulischen Taten und seiner großen Kraft hatte er den Spottnamen Brom Bones, das heißt »Knochen-Brom«, erhalten. Er war ein guter Reiter, und mit drei oder vier lustigen Kumpanen, die ihn als Vorbild betrachteten, ritt er oft bei kaltem Wetter in einer Pelzmütze mit langem Fuchsschwanz über Land. Zuweilen hörte man dann seine Schar um Mitternacht mit großem Geschrei und Hussa wie ein Trupp Kosaken an den Häusern vorbeisprengen. Die alten Frauen fuhren im Schlaf hoch und murmelten: Das ist wieder Brom Bones mit seiner Bande. Bei allen tollen Streichen und bei jeder Schlägerei war er dabei und hatte sich so überall bekannt gemacht.
Dieser tapfere Held hatte seit einiger Zeit die schöne Katharina zum Gegenstand seiner recht plumpen Zärtlichkeiten ausersehen, die, wenngleich sie etwas von den Tapsigkeiten eines Bären hatten, wie man sich erzählte, auf das Mädchen nicht ganz ohne Eindruck geblieben waren. Bones begann nun, Ichabod allerlei Streiche zu spielen. Mit seiner Reiterschar erschien er bei der Singschule und verstopfte die Schornsteine, so daß der arme Schulmeister schon vermutete, Hexen seien am Werk. Auch ließ Brom keine Gelegenheit verstreichen, Ichabod in Gegenwart des Mädchens lächerlich zu machen. Er besaß einen Hund, den er zum Jaulen und Winseln abrichtete, um ihn dann in die Singschule einzuschmuggeln, wo er Ichabods Gesänge in schaurigster Weise parodierte.
So ging die Sache eine Zeitlang hin, ohne daß es zwischen den beiden Rivalen zu einer Entscheidung gekommen wäre, bis Ichabod an einem schönen Herbstnachmittag in seinem Schulhaus den Besuch eines Negers empfing, der ihm eine Einladung zu einem Festessen überbrachte, das noch am selben Abend im Hause des Mynheer van Tassel stattfinden sollte. Ehe sich Ichabod noch nach näheren Einzelheiten erkundigen konnte, war der Bote auch schon wieder verschwunden, angetrieben von der Wichtigkeit und Eile seiner Mission. Der Lehrer gab seinen Schülern frei und machte sich dann mit besonderer Sorgfalt an die Toilette. Er zog seinen verschossenen schwarzen Anzug an, borgte sich von seinem Nachbarn dessen Pferd »Gunpowder«, was Schießpulver bedeutet, und schwang sich schließlich, angetan mit einem wehenden schwarzen Mantel, dessen Schöße fast bis zum Schweif des Tieres flatterten, auf die recht magere Mähre und ritt davon.
Es wurde Abend, bis Ichabod das Gehöft des Mynheer van Tassel erreichte. Dort waren die wohlhabenden Pächter der Nachbarschaft versammelt, aber auch Brom Bones war mit seinem Lieblingspferd »Gefahrenteufel« herbeigeritten,
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