18 Gänsehaut Stories
steuerte nun zu der Unterhaltung noch einige unheimliche Begebenheiten bei.
Die Gesellschaft brach nun langsam auf. Einer nach dem anderen fuhr mit seinem Wagen ab. Die jungen Mädchen stiegen zu den Burschen aufs Pferd und ließen sich von ihnen heimbringen. Nur Ichabod zögerte noch, denn er wollte mit Katharina ein Gespräch unter vier Augen führen. Dazu kam es auch, aber wie diese Unterhaltung vonstatten ging, davon weiß der Verfasser dieses Berichts nichts zu sagen, denn er war nicht dabei. Sicher ist, daß Ichabod traurig und niedergeschlagen den Schauplatz des Festes verließ. Wahrscheinlich war ihm klargeworden, daß das Mädchen ihn den ganzen Abend nur begünstigt hatte, um ihren anderen Verehrer aufzustacheln.
Die Geisterstunde hatte begonnen, als sich Ichabod auf seinem Klepper auf den Heimweg machte. Die Stunde war so trüb wie sein Sinn. Weit unten lag die neblige Wasserfläche des Tappan Zee, ab und zu sah er den Mast eines Bootes, das am Ufer über Nacht festgemacht hatte. Auch das Bellen eines Kettenhundes klang von Zeit zu Zeit durch die nächtliche Stille. Kein Anzeichen von Leben zeigte sich in der unmittelbaren Nähe seines Weges, es sei denn man wollte das schwermütige Zirpen der Grillen oder das Quaken eines Frosches aus einem nahen Morast dafür nehmen.
Alle Geistergeschichten kamen Ichabod bei seinem Ritt wieder in den Sinn, und er bekam Angst. Die Nacht wurde dunkler und dunkler. Die Sterne schienen immer tiefer zu fallen. Nie hatte er sich so verlassen und unglücklich gefühlt. Und nun näherte er sich einer Gegend, in der gleich mehrere Gespenstergeschichten sich zugetragen hatten. An dem großen Tulpenbaum, der allgemein Major Andres Baum genannt wurde, glaubte er etwas Weißes zu erkennen, das in der Mitte des Stammes hing. Als er genauer hinschaute, sah er, daß es ein Fleck war, an dem der Blitz die Rinde versengt hatte. Doch nun vernahm er ein Stöhnen. Seine Zähne klapperten, aber das Geräusch rührte nur von zwei Ästen her, die sich aneinander rieben.
Ungefähr zweihundert Meter hinter dem Baum kreuzte ein kleiner Bach den Weg und floß in ein sumpfiges, dicht bewachsenes Tal, das man »Wileys Moor« nannte. Auch hier sollte es Gespenster geben.
Sein Herz begann zu klopfen. Er nahm allen Mut zusammen, gab dem Pferd ein halbes Dutzend Fußtritte und versuchte rasch über die Brücke zu kommen. Aber statt vorwärts zu laufen, machte das widerspenstige Vieh eine Bewegung nach der Seite und rannte gegen das Geländer. Diese Verzögerung ließ Ichabods Angst wachsen; er riß die Zügel nach der anderen Seite und stieß das Tier mit dem Fuß; alles war vergebens; der Gaul ging zwar vorwärts, aber er geriet nun am Ufer auf der anderen Seite des Weges in ein Brombeer- und Holundergesträuch.
Eben in diesem Augenblick hörten Ichabods feine Ohren im Morast an der Brücke Schritte. Im dunklen Schatten des Wäldchens dort erblickte er etwas Riesiges, Unförmiges, das schwarz aufragte. Es bewegte sich nicht, sondern schien im Dunkeln hinzukauern wie ein riesiges Ungeheuer, das einem Reisenden an die Kehle fahren will. Die Haare sträubten sich dem erschreckten Schulmeister. Er faßte sein letztes Quentlein Mut zusammen und fragte stotternd: »Wer bist du?« Er erhielt keine Antwort und wiederholte die Frage mit zitternder Stimme. Noch immer kam keine Antwort. Und wieder drosch er auf sein Pferd ein, schloß die Augen und begann eine Psalmenmelodie zu summen. In diesem Moment setzte sich der dunkle Gegenstand in Bewegung und stand plötzlich mitten auf dem Weg. Obwohl es sehr dunkel war, konnte man nun die Gestalt des Unbekannten einigermaßen erkennen. Er schien ein Reiter von gewaltiger Größe auf einem schwarzen Roß
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