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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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hö­ren, die in der ver­schwie­ge­nen Ein­sam­keit des schläf­ri­gen Ta­les ei­ne schwer­mü­ti­ge Psal­men­me­lo­die singt.

 
Das Seegespenst
von
Jo­nas Lie
     
     
    Jo­nas Lie (1833-1908) war zu­erst See­ka­dett, stu­dier­te dann in Chris­tia­na und ent­schied sich für die Be­am­ten­lauf­bahn. Er leb­te ei­ne Zeit­lang in Ita­li­en und spä­ter auf­grund po­li­ti­scher Schwie­rig­kei­ten in Deutsch­land, wo sei­ne Ge­sell­schafts­ro­ma­ne grö­ße­re Be­ach­tung fan­den als in Lies nor­we­gi­scher Hei­mat. In sei­ner Früh­zeit und im Al­ter zeig­te Lie ein be­son­de­res In­ter­es­se für die Spuk- und Dä­mo­nen­ge­schich­ten sei­ner Hei­mat. In den bür­ger­li­chen Rea­lis­mus sei­ner Ro­ma­ne drin­gen im­mer wie­der Ele­men­te sur­rea­ler Phan­tas­tik ein, wie in der ma­ri­ti­men Er­zäh­lung »Das See­ge­spenst«, die sich in Lies Ro­man »Der Hell­se­her« fin­det. Ne­ben Björn­son und Ib­sen zählt Lie zu den Weg­be­rei­tern der mo­der­nen nor­we­gi­schen Li­te­ra­tur.
     
     
    Auf dem Kval­holm da un­ten auf Hel­ge­land wohn­te ein ar­mer Fi­scher na­mens Eli­as mit sei­ner Frau Ka­ren, die frü­her bei dem Pas­tor in Al­stad­haug ge­dient hat­te. Sie hat­ten sich dort ei­ne Hüt­te ge­baut, und der Mann mach­te nun ge­gen Ta­ge­lohn die Lo­fo­ten­fi­sche­rei mit.
    Auf dem ein­sa­men Kval­holm war es nicht ganz ge­heu­er. Wenn der Mann fort war, hör­te die Frau man­cher­lei un­heim­li­chen Lärm und Ge­schrei, das nicht von et­was Gu­tem her­rüh­ren konn­te.
    Ei­nes Ta­ges, als sie auf die Hoch­ebe­ne ge­stie­gen war und Gras zum Win­ter­fut­ter für ih­re Scha­fe mäh­te, hör­te sie es so­gar deut­lich da un­ter dem Ber­ge am Stran­de spre­chen, aber sie wag­te nicht nach­zu­se­hen, was es war.
    Je­des Jahr wur­de ih­nen ein Kind ge­bo­ren, aber sie wa­ren bei­de ar­beit­sam und flei­ßig. Als sie­ben Jah­re ver­gan­gen wa­ren, be­fan­den sich sechs Kin­der in der Stu­be; aber um die­se Zeit hat­te sich der Mann auch so viel zu­sam­men­ge­spart, daß er glaub­te, er könn­te sich nun selbst ein sechs­ru­d­ri­ges Boot kau­fen, um dann auf ei­ge­ne Hand auf die Fi­sche­rei aus­zu­se­geln.
    Ei­nes Ta­ges, als er mit ei­ner Flun­der­pi­ke in der Hand ein­her­ging und hier­über nach­grü­bel­te, stieß er hin­ter ei­nem Fel­sen­vor­sprung am Stran­de un­ver­mu­tet auf einen un­ge­heu­ren See­hund, der dalag und sich sonn­te und Eli­as wohl eben­so­we­nig er­war­tet hat­te wie die­ser ihn. Eli­as je­doch be­dach­te sich nicht lan­ge; er stieß ihm die lan­ge schwe­re Pi­ke ge­ra­de in den Rücken, dicht un­ter dem Ge­nick.
    Aber gab es da ein We­sen! Der See­hund er­hob sich mit ei­nem­mal auf dem Schwän­ze ge­ra­de em­por in die Hö­he, so hoch wie ein Boots­mast, und sah ihn da­bei mit ein paar blut­un­ter­lau­fe­nen Au­gen so bos­haft und gif­tig an, wäh­rend er ihm grin­send die Zäh­ne zeig­te, daß Eli­as vor Schreck bei­na­he den Ver­stand ver­lo­ren hät­te. Dann fuhr der See­hund mit ei­nem­mal hin­un­ter ins Was­ser, so daß der Schaum hin­ter ihm ganz rot von Blut war. Mehr sah Eli­as von dem Tier nicht; aber an der Lan­dungs­stel­le in der Bucht, wo sein Haus stand, kam an dem­sel­ben Nach­mit­tag die Flun­der­stan­ge mit ab­ge­bro­che­ner Ei­sen­spit­ze ans Land ge­trie­ben.
    Eli­as dach­te je­doch nicht wei­ter hieran. Er kauf­te sich im Herbst ein sechs­ru­d­ri­ges Boot, für wel­ches er be­reits im Som­mer einen klei­nen Schup­pen ge­baut hat­te.
    Ei­nes Nachts, als er noch wach lag und an sei­nen Sechs­ru­de­rer dach­te, fiel es ihm ein, daß er, um das Boot or­dent­lich zu ver­wah­ren, viel­leicht noch ei­ne klei­ne Klam­mer zum Stüt­zen an je­der Sei­te ein­set­zen soll­te. Er war so un­ver­nünf­tig froh über das Boot, daß es ihm ein wah­res Ver­gnü­gen war, auf­zu­ste­hen und es mit der La­ter­ne in der Hand zu be­sich­ti­gen.
    Wie er nun da stand und das Boot be­leuch­te­te, glaub­te er plötz­lich, in ei­ner Ecke auf dem Netz­ha­ken ein Ge­sicht zu be­mer­ken, das ganz dem des See­hun­des glich. Es grins­te ihn und die La­ter­ne ei­ne Wei­le bos­haft an, der Ra­chen wur­de

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