18 Gänsehaut Stories
aneinander zu brechen.
Jetzt sah Elias, was für ein Boot er hatte; es durchschnitt die Wellen wie ein Seevogel, ohne daß auch nur ein Tropfen ins Boot kam, und er meinte, daß er nicht ein ganzes Reff beizusetzen brauche, was auf einem gewöhnlichen Großboot bei solchem Wetter notwendig gewesen wäre.
Später am Tage bemerkte er nicht weit von sich auf der See ein anderes Großboot mit voller Besatzung und viermal gerefften Segeln. Es hatte denselben Kurs, und er fand es etwas seltsam, daß er es nicht früher gesehen. Es schien, als wolle es mit ihm um die Wette segeln, und als er das merkte, konnte er es nicht unterlassen, sein Segel wieder aufzusetzen.
Jetzt ging es mit rasender Schnelligkeit an Landzungen, Werdern und Schären vorüber, so daß es Elias schien, als sei er noch nie zuvor auf einer so prächtigen Segelfahrt gewesen, und nun zeigte es sich auch, daß das Boot wirklich das beste in Nordland war.
Das Meer ging indes immer höher, und sie hatten bereits mehrere ordentliche Sturzwellen bekommen. Sie brausten vorn am Halse, wo Bernt saß, herein und flossen in der Nähe des Hinterverdecks wieder in die See hinaus.
Als es dunkel geworden, war das andere Boot ganz in ihre Nähe gekommen, so daß sie sich einander etwas hätten zuwerfen können.
So ging die Fahrt Seite an Seite auf der immer gefährlicher werdenden See in die Nacht hinein. Es hätte nun eigentlich wieder gerefft werden müssen, aber Elias wollte sich bei dem Wettfahren nicht gern für besiegt erklären und gedachte damit so lange wie möglich zu warten – bis die anderen es taten, wo es vielleicht ebenso notwendig war. Immer öfter ging nun die Branntweinkruke herum, da sie jetzt sowohl der Kälte wie der Nässe zu widerstehen hatten.
Das »Meerleuchten«, das auf den schwarzen Wogen neben Elias’ Boot spielte, strahlte eigentümlich stark auf dem Schaumrande um das andere Boot, das gleichsam durch feurige Sturzwellen dahinsegelte. Bei dem hellen Phosphorschein vermochte er sogar die Taue am Boote zu unterscheiden. Er konnte auch deutlich die Leute an Bord sehen, mit ihren Südwestern auf dem Kopf; aber als ihre Luvseite zunächst lag, kehrten sie ihm alle den Rücken zu und wurden zudem fast gänzlich von dem hohen Rande des Bootes verdeckt.
Plötzlich schlug eine schreckliche Sturzwelle, deren weißen Kamm Elias schon von weitem durch die Dunkelheit erblickt hatte, ins Boot, wo Bernt saß. Sie hielt gleichsam das ganze Boot einen Augenblick auf; die Planken erbebten und zitterten unter ihrem Druck, und dann strömte sie hinten über die Leeseite wieder hinaus, als das Boot, welches eine Weile halb gekentert dalag, sich wieder erhob und von neuem dahinschoß. Während dies geschah, schien es Elias, als ob von dem andern Boot her schrecklich geschrien würde. Aber als es vorüber war, rief die Frau, die hinten am Segel saß, mit einer Stimme, die ihm ins Herz schnitt:« Herr mein Gott, Elias, die Welle hat Martha und Nils mit sich genommen!« Das waren ihre zwei jüngsten Kinder, das erstere neun, das andere sieben Jahre alt. Sie hatten neben Bernt gesessen. Elias antwortete nur: »Laß das Segel nicht los, sonst wirst du noch mehr verlieren!«
Es galt nun das viertemal zu reffen, und als das geschehen war, fand Elias, daß er sogar zum fünften Male reffen müßte, denn der Sturm ward immer ärger; aber um anderseits die immer schwereren Sturzwellen umsegeln zu können, durfte er das Segel nicht weiter einziehen, als durchaus notwendig war. Es kam jedoch so, daß sie das Segel mehr und mehr einziehen mußten. Die See peitschte ihnen ins Gesicht, und Bernt und der nächstälteste Bruder Anton, der bisher der Mutter am Segel geholfen, mußten sich schließlich an der Rah halten – ein Ausweg, zu dem man
Weitere Kostenlose Bücher