18 Gänsehaut Stories
braver Mensch zur Frühmesse geht. Sie glotzte ihn mit ihren Augen an, wie wenn sie noch im Schlafe läge, als er einen Krug – oder richtiger fast einen halben Eimer voll Branntwein bestellte. Allein vergebens suchte der Ärmste seinen Kummer zu ertränken.
Der Schnaps brannte ihm auf der Zunge wie Nesseln und dünkte ihn bitterer als Wermut. Weit von sich warf er den Krug zu Boden. Da dröhnte es im Baß über seinem Kopfe: »Laß doch das Trauern, Kosak!« Er schaut auf: Es war Bassawrjuk! Uh, welche Fratze! Der hatte Haare wie ein Borstenvieh und Augen wie ein Bulle! »Ich weiß, was dir fehlt: das da!« rief er und klirrte teuflisch grinsend mit seiner ledernen Geldkatze, die ihm am Gürtel hing. Petrusj erbebte. »Hehe, wie die glühen!« brüllte er und schüttete sich die Dukaten auf die Hand. »Hehe, die klimpern! Und doch heißt’s nur eine einzige Tat vollbringen, um einen ganzen Berg solcher Schnipsel!« – »Satan!« schrie da Petrusj. »Her damit! Ich bin zu allem bereit!« Beide gaben sich den Handschlag und waren einig. »Sieh, Petrusj, du kommst gerade zur rechten Zeit: Morgen ist Johannistag. Nur in dieser Nacht des Jahres treibt das Farnkraut Blüten. Du darfst es nicht verpassen. Ich erwarte dich um Mitternacht in der Bärenschlucht.«
Ich glaube, die Hühner warten nicht so auf den Augenblick, wo ihnen die Hausfrau Krumen streut, wie Petrusj auf den Abend wartete. Immerwährend blickte er aus, ob die Baumschatten nicht länger würden, ob nicht die tief herabgesunkene Sonne in Purpur erglömme, und je länger er wartete, um so ungeduldiger wurde er. Wie lange dauerte das doch! Gottes Tag konnte wohl kein Ende finden. – Nun ist die Sonne fort. Nur noch auf einer Seite rötet sich der Himmel noch. Und schon erlischt er. Es wird kälter im Felde; dunkler und dunkler wird’s, und alles liegt in nächtlicher Finsternis da. Endlich! Das Herz wollte ihm schier aus der Brust springen, als er sich auf den Weg machte und mit Vorsicht durch den dichten Wald zu dem tiefen Grunde herabstieg, der Bärenschlucht genannt wurde. Bassawrjuk wartete schon auf ihn. Es war so finster, daß man die Hand vor den Augen nicht sah. Hand in Hand schlichen sie durch die Sümpfe des Moors, verfingen sich im dichten Gestrüpp und strauchelten fast bei jedem Schritte. Endlich fanden sie einen ebenen Platz. Petrusj sah sich um: Er war noch nie hier gewesen. Auch Bassawrjuk blieb stehen.
»Siehst du: Da vor dir liegen drei Hügel. Viel mannigfache Blumen wachsen dort; doch alle Mächte der Welt mögen dich bewahren, auch nur eine zu pflücken. Kaum aber erblüht der Farn, so greif nach ihm und blick dich nicht um, was du auch hinter dir dünken magst.«
Petrusj wollte noch etwas fragen … aber jener war verschwunden. Er ging auf die Hügel zu: Wo waren die Blumen? Es war nichts zu sehen. Schwarz lag das wilde Steppengras da und überwucherte alles mit seinem Gestrüpp. Da blitzte ein Wetterleuchten auf, und vor ihm erschien ein ganzes Beet voll wundersamer und nie gesehener Blumen; darinnen sah er auch die einfachen Blätter des Farnkrautes. Voller Zweifel stemmte Petrusj beide Hände in die Hüften und stellte sich nachdenklich vor sie hin.
»Was ist denn Wunderbares dabei? Zehnmal des Tages sehe ich solches Kraut: Was ist denn das für ein Mirakel? Am Ende macht sich die Teufelsfratze nur über mich lustig!«
Auf einmal aber glüht ein kleines Knöspchen rot auf und rührt sich, wie wenn es lebendig wäre. Seltsam fürwahr! Rührt sich, wird immer größer und größer und glüht heiß wie eine rote Kohle. Da flammte ein Sternchen auf, etwas knisterte leise, und vor seinen Augen entfaltet sich die Blume wie eine Flamme, loht leuchtend auf und überstrahlt alles rings herum.
»Jetzt ist’s Zeit«, dachte Petrusj und streckte die Hand aus. Aber siehe, da strecken sich noch hundert
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