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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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bra­ver Mensch zur Früh­mes­se geht. Sie glotz­te ihn mit ih­ren Au­gen an, wie wenn sie noch im Schla­fe lä­ge, als er einen Krug – oder rich­ti­ger fast einen hal­b­en Ei­mer voll Brannt­wein be­stell­te. Al­lein ver­ge­bens such­te der Ärms­te sei­nen Kum­mer zu er­trän­ken.
    Der Schnaps brann­te ihm auf der Zun­ge wie Nes­seln und dünk­te ihn bit­te­rer als Wer­mut. Weit von sich warf er den Krug zu Bo­den. Da dröhn­te es im Baß über sei­nem Kopfe: »Laß doch das Trau­ern, Ko­sak!« Er schaut auf: Es war Bassa­wr­juk! Uh, wel­che Frat­ze! Der hat­te Haa­re wie ein Bors­ten­vieh und Au­gen wie ein Bul­le! »Ich weiß, was dir fehlt: das da!« rief er und klirr­te teuf­lisch grin­send mit sei­ner le­der­nen Geld­kat­ze, die ihm am Gür­tel hing. Pe­trusj er­beb­te. »Hehe, wie die glü­hen!« brüll­te er und schüt­te­te sich die Du­ka­ten auf die Hand. »Hehe, die klim­pern! Und doch heißt’s nur ei­ne ein­zi­ge Tat voll­brin­gen, um einen gan­zen Berg sol­cher Schnip­sel!« – »Sa­tan!« schrie da Pe­trusj. »Her da­mit! Ich bin zu al­lem be­reit!« Bei­de ga­ben sich den Hand­schlag und wa­ren ei­nig. »Sieh, Pe­trusj, du kommst ge­ra­de zur rech­ten Zeit: Mor­gen ist Jo­han­nis­tag. Nur in die­ser Nacht des Jah­res treibt das Farn­kraut Blü­ten. Du darfst es nicht ver­pas­sen. Ich er­war­te dich um Mit­ter­nacht in der Bä­ren­schlucht.«
    Ich glau­be, die Hüh­ner war­ten nicht so auf den Au­gen­blick, wo ih­nen die Haus­frau Kru­men streut, wie Pe­trusj auf den Abend war­te­te. Im­mer­wäh­rend blick­te er aus, ob die Baum­schat­ten nicht län­ger wür­den, ob nicht die tief her­ab­ge­sun­ke­ne Son­ne in Pur­pur er­glöm­me, und je län­ger er war­te­te, um so un­ge­dul­di­ger wur­de er. Wie lan­ge dau­er­te das doch! Got­tes Tag konn­te wohl kein En­de fin­den. – Nun ist die Son­ne fort. Nur noch auf ei­ner Sei­te rö­tet sich der Him­mel noch. Und schon er­lischt er. Es wird käl­ter im Fel­de; dunk­ler und dunk­ler wird’s, und al­les liegt in nächt­li­cher Fins­ter­nis da. End­lich! Das Herz woll­te ihm schier aus der Brust sprin­gen, als er sich auf den Weg mach­te und mit Vor­sicht durch den dich­ten Wald zu dem tie­fen Grun­de her­ab­stieg, der Bä­ren­schlucht ge­nannt wur­de. Bassa­wr­juk war­te­te schon auf ihn. Es war so fins­ter, daß man die Hand vor den Au­gen nicht sah. Hand in Hand schli­chen sie durch die Sümp­fe des Moors, ver­fin­gen sich im dich­ten Ge­strüpp und strau­chel­ten fast bei je­dem Schrit­te. End­lich fan­den sie einen ebe­nen Platz. Pe­trusj sah sich um: Er war noch nie hier ge­we­sen. Auch Bassa­wr­juk blieb ste­hen.
    »Siehst du: Da vor dir lie­gen drei Hü­gel. Viel man­nig­fa­che Blu­men wach­sen dort; doch al­le Mäch­te der Welt mö­gen dich be­wah­ren, auch nur ei­ne zu pflücken. Kaum aber er­blüht der Farn, so greif nach ihm und blick dich nicht um, was du auch hin­ter dir dün­ken magst.«
    Pe­trusj woll­te noch et­was fra­gen … aber je­ner war ver­schwun­den. Er ging auf die Hü­gel zu: Wo wa­ren die Blu­men? Es war nichts zu se­hen. Schwarz lag das wil­de Step­pen­gras da und über­wu­cher­te al­les mit sei­nem Ge­strüpp. Da blitz­te ein Wet­ter­leuch­ten auf, und vor ihm er­schi­en ein gan­zes Beet voll wun­der­sa­mer und nie ge­se­he­ner Blu­men; dar­in­nen sah er auch die ein­fa­chen Blät­ter des Farn­krau­tes. Vol­ler Zwei­fel stemm­te Pe­trusj bei­de Hän­de in die Hüf­ten und stell­te sich nach­denk­lich vor sie hin.
    »Was ist denn Wun­der­ba­res da­bei? Zehn­mal des Ta­ges se­he ich sol­ches Kraut: Was ist denn das für ein Mi­ra­kel? Am En­de macht sich die Teu­fels­frat­ze nur über mich lus­tig!«
    Auf ein­mal aber glüht ein klei­nes Knösp­chen rot auf und rührt sich, wie wenn es le­ben­dig wä­re. Selt­sam für­wahr! Rührt sich, wird im­mer grö­ßer und grö­ßer und glüht heiß wie ei­ne ro­te Koh­le. Da flamm­te ein Stern­chen auf, et­was knis­ter­te lei­se, und vor sei­nen Au­gen ent­fal­tet sich die Blu­me wie ei­ne Flam­me, loht leuch­tend auf und über­strahlt al­les rings her­um.
    »Jetzt ist’s Zeit«, dach­te Pe­trusj und streck­te die Hand aus. Aber sie­he, da stre­cken sich noch hun­dert

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