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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Feu­er­lärm hat­te sich der Gar­ten so­fort mit Men­schen ge­füllt. Ei­ner von ih­nen muß­te das Tier ab­ge­schnit­ten und durch ein of­fe­nes Fens­ter – wahr­schein­lich in der Ab­sicht, mich aus dem Schla­fe zu we­cken – in mein Zim­mer ge­schleu­dert ha­ben. Beim Ein­sturz der an­de­ren Mau­er muß­te ir­gend­ein Zu­fall das Op­fer mei­ner Grau­sam­keit in die frisch auf­ge­tra­ge­ne Mas­se des Mau­er­put­zes fest ein­ge­drückt ha­ben. Das Feu­er hat­te dann in Ver­bin­dung mit dem tie­ri­schen Al­ka­li des Ka­da­vers sei­ne Um­ris­se fest in den Kalk ein­ge­brannt.
    Ob­gleich ich, was die­se auf­re­gen­de, rasch er­zähl­te Tat­sa­che an­geht, mei­ner Ver­nunft, wenn nicht mei­nem Ge­wis­sen Ge­nü­ge tat, mach­te sie nichts­de­sto­we­ni­ger einen tie­fen Ein­druck auf mei­ne Phan­ta­sie. Mo­na­te­lang konn­te ich mich von der Spuk­ge­stalt des Ka­ters nicht be­frei­en, und ei­ne un­be­stimm­te Emp­fin­dung, die wie Reue er­schi­en, es aber doch nicht war, kehr­te in mein Ge­müt ein. Ich fing so­gar an, den Ver­lust des Tie­res auf­rich­tig zu be­dau­ern, und be­gann, mich in den nied­ri­gen Schen­ken, die ich meist be­such­te, nach ei­nem an­de­ren Tier der­sel­ben Art und von ei­ni­ger­ma­ßen ähn­li­chem Aus­se­hen um­zu­se­hen, das den Platz Plu­tos wie­der aus­fül­len konn­te.
    Ei­nes Nachts, als ich, schon halb stumpf­sin­nig, in ei­ner der al­ler­nied­rigs­ten Laster­höh­len saß, lenk­te sich mei­ne Auf­merk­sam­keit plötz­lich auf einen dunklen Ge­gen­stand, der oben auf ei­nem rie­si­gen Ox­hoft­faß voll Brannt­wein oder Rum lag, das ein Haupt­stück der Aus­stat­tung des Lo­ka­les bil­de­te. Ei­ni­ge Mi­nu­ten lang blick­te ich fest nach dem in die Hö­he ge­rich­te­ten Bo­den des Fas­ses, und es setz­te mich in Er­stau­nen, daß ich den be­tref­fen­den Ge­gen­stand nicht eher be­merkt hat­te. Ich ging dar­auf zu und be­rühr­te ihn mit der Hand. Es war ein schwar­zer Ka­ter – ein sehr großer schwar­zer Ka­ter –, ganz so groß wie Plu­to und ihm, mit Aus­nah­me ei­ner ein­zi­gen Ab­wei­chung, voll­stän­dig ähn­lich. Plu­to hat­te an sei­nem gan­zen Kör­per kein ein­zi­ges wei­ßes Haar; die­ser Ka­ter hat­te da­ge­gen einen großen, wenn auch un­deut­lich ge­zeich­ne­ten wei­ßen Fle­cken, der bei­na­he die gan­ze Brust be­deck­te.
    Als ich das Tier be­rühr­te, er­hob es sich so­fort, be­gann laut zu schnur­ren, rieb sich an mei­ner Hand und schi­en über die ihm ge­spen­de­te Auf­merk­sam­keit höchst er­freut. Dies war al­so wohl ge­ra­de das Tier, das ich such­te! Ich mach­te dem Wirt so­fort ein An­ge­bot, um es zu kau­fen, aber der er­hob über­haupt kei­nen An­spruch dar­auf, sag­te, er ken­ne es nicht und ha­be es nie zu­vor ge­se­hen.
    Ich fuhr in mei­nen Lieb­ko­sun­gen fort, und als ich mich auf den Heim­weg mach­te, schi­en das Tier mir fol­gen zu wol­len. Ich ge­stat­te­te es und stand un­ter­wegs hin und wie­der still, um es zu strei­cheln. Zu Hau­se an­ge­kom­men, ge­wöhn­te es sich gleich ein und wur­de so­fort der Lieb­ling mei­ner Frau.
    In mir je­doch fühl­te ich bald ei­ne Ab­nei­gung ge­gen das Tier ent­ste­hen. Das war ge­ra­de das Ge­gen­teil von dem, was ich er­war­tet hat­te, aber – ich weiß nicht, wie und wes­halb – sei­ne au­gen­schein­li­che An­häng­lich­keit an mich wi­der­te mich an. Nach und nach ver­wan­del­te sich dies Ge­fühl des Wi­der­wil­lens in er­bit­ter­ten Haß. Ich mied die Kat­ze; ein ge­wis­ses Ge­fühl der Be­schä­mung und die Er­in­ne­rung an mei­ne frü­he­re Grau­sam­keit ver­hin­der­ten je­doch, daß ich sie miß­han­del­te. Ei­ni­ge Wo­chen ver­gin­gen, oh­ne daß ich sie schlug oder sonst quäl­te. Aber all­mäh­lich – ganz all­mäh­lich – fing ich an, sie mit un­aus­sprech­li­chem Ab­scheu zu be­trach­ten und vor ih­rer ver­haß­ten Ge­gen­wart wie vor dem gif­ti­gen Hauch der Pest schwei­gend zu ent­flie­hen.
    Was oh­ne Zwei­fel mei­nen Haß ge­gen das Tier noch ver­schärf­te, war die Ent­de­ckung, die ich gleich am ers­ten Mor­gen mach­te: daß das Tier, ge­ra­de wie Plu­to, des einen Au­ges be­raubt war. Die­ser

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