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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Ab­nei­gung ei­nes Ge­schöp­fes, das mir frü­her zu­ge­tan war, be­trüb­te. Doch wich die­se Emp­fin­dung bald ei­ner tücki­schen Er­bit­te­rung. Und dann kam auch, um mei­nen end­gül­ti­gen, un­wi­der­ruf­li­chen Un­ter­gang zu be­sie­geln, der Geist der Per­ver­si­tät über mich. Die Psy­cho­lo­gie hat sich noch nie mit die­sem Dä­mon be­faßt. Doch so wahr mei­ne See­le lebt, ich glau­be, daß die Per­ver­si­tät ei­ner der Grundtrie­be des mensch­li­chen Her­zens ist, ei­ne der un­teil­ba­ren Un­fä­hig­kei­ten oder Ge­füh­le, die dem Cha­rak­ter des Men­schen sei­ne Rich­tungs­li­nie ge­ben. Wem wä­re es nicht hun­dert­mal be­geg­net, daß er sich bei ei­ner nied­ri­gen oder tö­rich­ten Hand­lung über­rasch­te, die er nur des­halb be­ging, weil er wuß­te, daß sie ver­bo­ten war? Ha­ben wir nicht be­stän­dig die Nei­gung, die Ge­set­ze zu ver­let­zen, bloß weil wir sie als sol­che an­er­ken­nen müs­sen? Die­ser Geist der Per­ver­si­tät kam al­so, wie ich schon sag­te, über mich, um mei­nen Un­ter­gang zu vollen­den. Je­ner un­er­gründ­li­che Drang der See­le, sich selbst zu quä­len, ih­rer ei­ge­nen Na­tur Ge­walt an­zu­tun und das Un­recht nur um des Un­rech­tes wil­len zu be­ge­hen, trieb mich an, das un­schul­di­ge Tier, das ich schon so gräß­lich miß­han­delt hat­te, noch wei­ter zu quä­len. Ei­nes Mor­gens leg­te ich kalt­blü­tig ei­ne Schlin­ge um sei­nen Hals und häng­te es an dem Ast ei­nes Bau­mes auf; häng­te es auf, wäh­rend mir die Trä­nen aus den Au­gen ström­ten und Ge­wis­sens­bis­se mein Herz fol­ter­ten; häng­te es auf, weil ich wuß­te, daß es mich ge­liebt, und weil ich fühl­te, daß es mir nie ei­ne Ur­sa­che zu die­ser Miß­hand­lung ge­ge­ben hat­te; häng­te es auf, weil ich fühl­te, daß ich mit der Tat ei­ne Sün­de be­ging, ei­ne Tod­sün­de, die das Heil mei­ner See­le ver­nich­ten konn­te, sie, wenn es noch mög­lich ge­we­sen wä­re, dem Be­reich der Gna­de des all­barm­her­zi­gen Got­tes hät­te ent­zie­hen müs­sen.
    In der Nacht, die dem Ta­ge folg­te, an dem ich die grau­sa­me Tat voll­führt hat­te, wur­de ich durch Feu­er­lärm aus dem Schla­fe ge­weckt. Die Vor­hän­ge mei­nes Bet­tes brann­ten, das gan­ze Haus stand schon in Flam­men. Un­ter großen Ge­fah­ren ent­ran­nen mei­ne Frau, un­ser Dienst­bo­te und ich der Feu­ers­brunst. Al­les wur­de zer­stört, mein gan­zer Be­sitz an ir­di­schen Gü­tern war da­hin. Und ich selbst über­ließ mich von nun ab nur noch wi­der­stands­lo­ser dem Trunk.
    Ich bin längst über die Schwä­che hin­aus, ein Ver­hält­nis von Ur­sa­che und Wir­kung zwi­schen die­sem Un­glück und der vor­her­ge­gan­ge­nen Schänd­lich­keit zu er­bli­cken. Ich stel­le nur ei­ne Ket­te von Tat­sa­chen fest und möch­te da­bei kein Glied un­er­wähnt las­sen. Am Tag nach dem Brand be­sich­tig­te ich die Trüm­mer. Die Mau­ern wa­ren bis auf ei­ne zu­sam­men­ge­stürzt: und zwar war die nicht sehr di­cke Schei­de­wand in der Mit­te des Hau­ses, an der das Kopf­en­de mei­nes Bet­tes ge­stan­den hat­te, ste­hen­ge­blie­ben. Die Wand­ver­klei­dung selbst hat­te dem Feu­er auf­fal­lend gut wi­der­stan­den – ich führ­te dies auf den Um­stand zu­rück, daß sie erst vor kur­z­em neu an­ge­wor­fen wor­den war. Um die­se Mau­er her­um hat­te sich ei­ne dich­te Men­schen­men­ge ver­sam­melt und schi­en einen be­stimm­ten Teil der­sel­ben ei­ner ein­ge­hen­den, eif­ri­gen Prü­fung zu un­ter­zie­hen. Wor­te wie ›selt­sam!‹ und ›son­der­bar!‹ und ähn­li­che Aus­ru­fe er­reg­ten mei­ne Neu­gier­de. Ich nä­her­te mich und er­blick­te auf der wei­ßen Ober­flä­che, wie im Bas-Re­li­ef ein­ge­gra­ben, die Ge­stalt ei­nes rie­si­gen Ka­ters. Die Kon­tu­ren wa­ren mit wun­der­ba­rer Sorg­falt aus­ge­führt. Um den Hals des Tie­res lag ein Strick.
    Als ich die­sen Spuk – für et­was an­de­res konn­te ich’s kaum hal­ten – er­blick­te, ge­riet ich vor Stau­nen und Grau­sen au­ßer mir. Schließ­lich er­in­ner­te ich mich, daß ich den Ka­ter in ei­nem Gar­ten er­hängt hat­te, der dicht an mein Haus an­s­tieß. Bei dem

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