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18 Gänsehaut Stories

18 Gänsehaut Stories

Titel: 18 Gänsehaut Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ab und ar­bei­te­te sich mit der Ta­schen­lam­pe an der Wand ent­lang. Da­bei stieß er auf einen Ver­schlag un­ter ei­nem der Gie­bel. Er starr­te auf die Tür und das Vor­hän­ge­schloß.
    Der Staub und der Rost spra­chen ih­re ei­ge­ne Spra­che. Hier oben war seit Ewig­kei­ten kei­ner ge­we­sen. Er muß­te an Ha­cker, den zun­gen­fer­ti­gen Mak­ler, der ih­nen die­ses Haus ver­mit­telt hat­te, den­ken. »Das Haus ist ein paar Jah­re lang nicht be­wohnt ge­we­sen und muß et­was auf­gemö­belt wer­den«, hör­te er Ha­cker sa­gen. So wie es hier aus­sah, wür­de er eher sa­gen, daß das Haus ei­ni­ge Jahr­hun­der­te lang nicht be­wohnt ge­we­sen war. Das hat­te al­ler­dings den Vor­teil, daß er für die­ses Schloß nichts wei­ter als ei­ne ein­fa­che Fei­le be­nö­tig­te.
    Er ging rasch hin­un­ter und kam gleich dar­auf mit ei­ner Fei­le zu­rück.
    Der Staub und Schmutz spra­chen wirk­lich ih­re ei­ge­ne Spra­che. Die vo­ri­gen Mie­ter muß­ten das Haus et­was über­stürzt ver­las­sen ha­ben. Auf dem Bo­den herrsch­te ein heil­lo­ses Durch­ein­an­der. Über­all wa­ren Schutt und Ge­rüm­pel ver­streut. Die tie­fen Schram­men auf dem Fuß­bo­den deu­te­ten dar­auf­hin, daß je­mand sei­ne Kis­ten und Kof­fer in hek­ti­scher Ei­le zur Trep­pe ge­schleift hat­te.
    Nun ja, er hat­te den gan­zen Win­ter über Zeit, al­les wie­der her­zu­rich­ten. Jetzt woll­te er nur die Som­mer­sa­chen un­ter­brin­gen. Er klemm­te sich die Ta­schen­lam­pe an den Gür­tel und beug­te sich mit der Fei­le in der Hand über das Vor­hän­ge­schloß.
    Es war wirk­lich ein Kin­der­spiel. Das Schloß sprang auf, und er drück­te ge­gen die Tür. Als sie quiet­schend auf­ging, muß­te er die Luft an­hal­ten. Ihm ström­te ei­ne Wo­ge von Mo­der und Fäul­nis ent­ge­gen. Dann rich­te­te er den Strahl der Ta­schen­lam­pe in den en­gen, schma­len Ver­schlag.
    Ein tau­send­fa­ches Glit­zern und Fun­keln stach ihm in die Au­gen. Gol­de­nes, glü­hen­des Feu­er brann­te in sei­nen Pu­pil­len. Er zuck­te mit der Ta­schen­lam­pe zu­rück und schloß ge­blen­det die Au­gen. Dann rich­te­te er den Licht­strahl nach oben. Und wie­der stach ihm glei­ßen­des Licht wie Lan­zen in die Au­gen.
    Er sprang zu­rück. Sein Atem ging rasch. Dann zwang er sich zur Ru­he und Ver­nunft und lug­te noch ein­mal in den Ver­schlag. Auf ein­mal wuß­te er, wo­her die­ses Glit­zern und Fun­keln kam. Er blick­te in einen Raum vol­ler Spie­gel. Sie hin­gen von der De­cke, lehn­ten in Ecken und stan­den an den Wän­den. Da wa­ren ein großer statt­li­cher Spie­gel, der ein­mal ei­ne Tür aus­ge­füllt ha­ben muß­te, zwei ova­le Spie­gel von ei­ner alt­mo­di­schen Fri­sier­kom­mo­de, ein Spie­gel, der aus ei­nem Rah­men ge­bro­chen war, und so­gar ein kom­plet­tes, aus­ein­an­der­ge­nom­me­nes Me­di­zin­schränk­chen – fast haar­ge­nau das glei­che, das er ge­ra­de im Ba­de­zim­mer an­ge­bracht hat­te. Der Fuß­bo­den war mit Hand­spie­geln in al­len Grö­ßen und For­men be­deckt. Er ent­deck­te einen zier­li­chen Hand­spie­gel mit sil­ber­nem Griff, der einst auf der Fri­sier­toi­let­te ei­ner Frau ge­le­gen ha­ben muß­te. Da­hin­ter lehn­te der ei­gent­li­che Spie­gel der Fri­sier­toi­let­te. Und rund her­um Ta­schen­spie­gel, Spie­gel aus Pu­der­do­sen und aus al­len mög­li­chen Etu­is. An der ge­gen­über­lie­gen­den Wand stand gleich ei­ne gan­ze Se­rie von gleich­großen un­ge­rahm­ten Spie­geln, die wahr­schein­lich ein­mal in ei­ne Schlaf­zim­mer­wand ein­ge­baut ge­we­sen wa­ren.
    Er schau­te auf ein hal­b­es Hun­dert silb­ri­ger Ober­flä­chen; er schau­te auf ein hal­b­es Hun­dert Wie­der­ga­ben sei­nes be­stürz­ten Ge­sich­tes.
    Er muß­te wie­der an Ha­cker den­ken und an den Tag, an dem sie das Haus be­sich­tigt hat­ten. Er hat­te da­mals Ha­cker auf das Feh­len des Ba­de­zim­mer­schränk­chens auf­merk­sam ge­macht, aber Ha­cker war nicht nä­her dar­auf ein­ge­gan­gen. Es war ihm da­mals gar nicht auf­ge­fal­len, daß im gan­zen Haus kein ein­zi­ger Spie­gel vor­han­den war. Schön, sie hat­ten das Haus nicht mö­bliert ge­mie­tet, aber man soll­te

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