18 Gänsehaut Stories
ab und arbeitete sich mit der Taschenlampe an der Wand entlang. Dabei stieß er auf einen Verschlag unter einem der Giebel. Er starrte auf die Tür und das Vorhängeschloß.
Der Staub und der Rost sprachen ihre eigene Sprache. Hier oben war seit Ewigkeiten keiner gewesen. Er mußte an Hacker, den zungenfertigen Makler, der ihnen dieses Haus vermittelt hatte, denken. »Das Haus ist ein paar Jahre lang nicht bewohnt gewesen und muß etwas aufgemöbelt werden«, hörte er Hacker sagen. So wie es hier aussah, würde er eher sagen, daß das Haus einige Jahrhunderte lang nicht bewohnt gewesen war. Das hatte allerdings den Vorteil, daß er für dieses Schloß nichts weiter als eine einfache Feile benötigte.
Er ging rasch hinunter und kam gleich darauf mit einer Feile zurück.
Der Staub und Schmutz sprachen wirklich ihre eigene Sprache. Die vorigen Mieter mußten das Haus etwas überstürzt verlassen haben. Auf dem Boden herrschte ein heilloses Durcheinander. Überall waren Schutt und Gerümpel verstreut. Die tiefen Schrammen auf dem Fußboden deuteten daraufhin, daß jemand seine Kisten und Koffer in hektischer Eile zur Treppe geschleift hatte.
Nun ja, er hatte den ganzen Winter über Zeit, alles wieder herzurichten. Jetzt wollte er nur die Sommersachen unterbringen. Er klemmte sich die Taschenlampe an den Gürtel und beugte sich mit der Feile in der Hand über das Vorhängeschloß.
Es war wirklich ein Kinderspiel. Das Schloß sprang auf, und er drückte gegen die Tür. Als sie quietschend aufging, mußte er die Luft anhalten. Ihm strömte eine Woge von Moder und Fäulnis entgegen. Dann richtete er den Strahl der Taschenlampe in den engen, schmalen Verschlag.
Ein tausendfaches Glitzern und Funkeln stach ihm in die Augen. Goldenes, glühendes Feuer brannte in seinen Pupillen. Er zuckte mit der Taschenlampe zurück und schloß geblendet die Augen. Dann richtete er den Lichtstrahl nach oben. Und wieder stach ihm gleißendes Licht wie Lanzen in die Augen.
Er sprang zurück. Sein Atem ging rasch. Dann zwang er sich zur Ruhe und Vernunft und lugte noch einmal in den Verschlag. Auf einmal wußte er, woher dieses Glitzern und Funkeln kam. Er blickte in einen Raum voller Spiegel. Sie hingen von der Decke, lehnten in Ecken und standen an den Wänden. Da waren ein großer stattlicher Spiegel, der einmal eine Tür ausgefüllt haben mußte, zwei ovale Spiegel von einer altmodischen Frisierkommode, ein Spiegel, der aus einem Rahmen gebrochen war, und sogar ein komplettes, auseinandergenommenes Medizinschränkchen – fast haargenau das gleiche, das er gerade im Badezimmer angebracht hatte. Der Fußboden war mit Handspiegeln in allen Größen und Formen bedeckt. Er entdeckte einen zierlichen Handspiegel mit silbernem Griff, der einst auf der Frisiertoilette einer Frau gelegen haben mußte. Dahinter lehnte der eigentliche Spiegel der Frisiertoilette. Und rund herum Taschenspiegel, Spiegel aus Puderdosen und aus allen möglichen Etuis. An der gegenüberliegenden Wand stand gleich eine ganze Serie von gleichgroßen ungerahmten Spiegeln, die wahrscheinlich einmal in eine Schlafzimmerwand eingebaut gewesen waren.
Er schaute auf ein halbes Hundert silbriger Oberflächen; er schaute auf ein halbes Hundert Wiedergaben seines bestürzten Gesichtes.
Er mußte wieder an Hacker denken und an den Tag, an dem sie das Haus besichtigt hatten. Er hatte damals Hacker auf das Fehlen des Badezimmerschränkchens aufmerksam gemacht, aber Hacker war nicht näher darauf eingegangen. Es war ihm damals gar nicht aufgefallen, daß im ganzen Haus kein einziger Spiegel vorhanden war. Schön, sie hatten das Haus nicht möbliert gemietet, aber man sollte
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