18 Gänsehaut Stories
oder, was noch viel schlimmer war, die Angst, nicht alleine zu sein.
Denn gerade jetzt, als sie auf das Haus schaute, schloß sich die Tür.
Das war natürlich der Herbstwind. Selbstverständlich. Aber die Tür war weder zugefallen noch zugeschlagen. Sie hatte sich ganz einfach geschlossen. Aber trotzdem: Es war das Werk des Windes. Es mußte sein Werk sein! Denn es war keiner im Haus, der die Tür hätte schließen können.
Sie griff in die Tasche ihres Hauskleides. Dann zuckte sie die Achseln, denn ihr fiel ein, daß sie den Hausschlüssel in die Küche gelegt hatte.
Sie hatte nicht die Absicht gehabt, so bald wieder ins Haus zu gehen, denn sie wollte sich den Garten genau ansehen und überlegen und ausmessen, wo man im nächsten Frühjahr Gemüsebeete anlegen und Blumen pflanzen konnte.
Als sich jetzt aber die Tür geschlossen hatte, fühlte sie, daß sie zurückgehen mußte. Irgend etwas versuchte, sie auszuschließen. Aus ihrem eigenen Haus auszuschließen! Und dem durfte sie keinesfalls nachgeben. Irgend etwas kämpfte gegen sie. Irgend etwas war gegen ihre Anwesenheit und gegen jede mögliche Änderung. Sie mußte sich wehren und ihren Platz behaupten.
Sie ging entschlossen auf das Haus zu, rüttelte am Türgriff und fand ihre Ahnung bestätigt, daß sie ausgeschlossen war. Die erste Runde hatte sie verloren. Aber es gab ja noch das Fenster.
Das Küchenfenster befand sich in Augenhöhe und war einen Spalt geöffnet. Als sie auf eine kleine Kiste stieg, konnte sie es mühelos erreichen.
Sie hob die Hand, um das Fenster weiter in die Höhe zu schieben.
Es rührte sich nicht von der Stelle. Es mußte irgendwo klemmen. Aber es hatte vorher nicht geklemmt, denn ehe sie in den Garten ging, hatte sie es ohne Schwierigkeiten aufschieben können. Außerdem hatten sie bei ihrem Einzug alle Fenster ausprobiert und keine Mängel festgestellt.
Sie versuchte es noch einmal. Mit großer Anstrengung konnte sie das Fenster vielleicht fünfzehn Zentimeter hochschieben, dann … Als das Fenster mit der Wucht einer Guillotine herabsauste, konnte sie gerade noch rechtzeitig ihre Hand zurückreißen. Sie biß sich auf die Lippen. Dann straffte sie die Schultern und versuchte es erneut mit dem Fenster.
Dieses Mal schaute sie dabei in die Scheibe. Es war normales, durchsichtiges Fensterglas. Sie hatte es erst gestern geputzt und wußte, daß es sauber sein mußte. Es hatte keine Verschleierungen, keine Schatten und ganz gewiß keine Bewegungen gehabt.
Aber jetzt war es voller Bewegung!
Irgend etwas Wolkiges, Verschwommenes, irgend etwas eigenartig Undurchsichtiges schien sie anzustarren und die Fensterscheibe herunterzudrücken. Irgend etwas wollte ihr den Eintritt ins Haus verwehren.
Plötzlich lachte sie hysterisch auf, denn ihr war zum Bewußtsein gekommen, daß sie auf ihr eigenes Spiegelbild zwischen den Schatten der Bäume starrte. Natürlich, es mußte ihr eigenes Spiegelbild sein, und es bestand überhaupt keine Veranlassung für sie, die Augen zu schließen und zu schluchzen und – als das Fenster endlich offen war – fast in die Küche zu taumeln.
Sie war im Haus, und sie war allein. Ganz allein. Alles war in bester Ordnung. Sie brauchte ihn mit der Geschichte nicht zu beunruhigen. Sie würde ihm nichts erzählen.
Er würde ihr auch nichts erzählen.
Als sie am Freitag nachmittag den Wagen nahm, um in der Stadt Einkäufe für die morgige Party zu machen, blieb er zu Hause, um die letzten Dinge nach dem Umzug in Ordnung zu bringen.
Aus diesem Grund schaffte er auch die Kleidersäcke auf den Boden. Die Sommersachen nahmen in den Schränken so viel Platz in Anspruch, daß er sie aus dem Wege haben wollte.
Auf dem Boden war es dunkel. Er setzte die Kleidersäcke
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