18 - Geheimagent Lennet und die Doppelgängerin
tobte der Wind mit unglaublicher Stärke; unzählige Möwen umrundeten den Turm und stießen ihre schrillen Schreie aus.
Das Wetter war grau und diesig. Sie konnten die Küste nicht sehen, nur das endlose, graue Meer. Einige Wellen trugen weiße Schaumkronen, und manche Wellentäler schimmerten dunkelgrün. Das war die einzige Abwechslung. Nur die Möwen starrten sie mit ihren kleinen Augen an; ihre heiseren Schreie verhallten im Wind.
»Irgendwie gefällt es mir hier nicht", meinte Poli. »Ich möchte lieber wieder schlafen gehen.«
»Kommt nicht in Frage!« protestierte Gross. »Wir müssen jetzt auf jeden Fall zusammenbleiben. Aber ist euch schon aufgefallen, daß wir noch gar nicht Kaffee getrunken haben? Freiwillige vor, die uns ein tolles Frühstück bereiten!«
»Ich mache das gern", erbot sich Lennet.
»Prima. Wir fahren lieber wieder auf das Schiff. Hier ist es doch ziemlich ungemütlich.« Dieser Vorschlag gefiel Lennet ganz und gar nicht. Er hatte gehofft, für kurze Zeit wenigstens allein an Bord zu sein, um über Funk eine Botschaft an den FND senden zu können. Ihm blieb nun nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Dinge auf sich zukommen zu lassen.
»Ich nehme noch Bestellungen entgegen, meine Herren", lachte er. »Nach dem, was ich in der Küche gesehen habe, brauchen wir bestimmt nicht zu knausern.«
»Nicht Küche. Pantry!« mäkelte Sosthene.
»Also Kartoffeln haben wir jede Menge", unkte Poli. »Guckt mal auf die Uhr, Kinder. Es ist bereits halb elf durch. Das ist schon kein Frühstück mehr, das wird ein Spätstück. Wegen mir kann es auch ruhig etwas umfangreicher ausfallen.«
»Brunch nennt man so etwas!« brummte Sosthene.
»Quatsch. So etwas nennt man eine gute Tasse heißen Kaffee, eine Flasche Rotwein, ein zartes Steak, knusprige Bratkartoffeln und zum Nachtisch einen Cognac", erklärte der Stabsunteroffizier.
»Ober, für mich bitte Knoblauchmayonnaise!« witzelte Poli.
Sosthene bog sich vor Lachen. »Ich hätte gerne eine kleine, fette, knusprig gebratene Wachtel", bestellte er wiehernd.
»Ich verspreche nichts", erklärte Lennet. Sie sprangen ins Boot und ruderten zur Abendrot zurück.
»Ich kümmere mich schon mal um die Aperitifs", sagte Gross und ging zum Aufenthaltsraum.
»Ihr ruft mich, wenn es soweit ist", bat Poli und war schon wieder auf dem Weg in seine Kabine.
Sosthene bewaffnete sich mit dem Feldstecher und legte sich der Länge nach auf das Vordeck, um den Horizont im Auge zu behalten.
»Nicht daß Bellil ausgerechnet mitten in der üppigsten Prasserei hier reinplatzt. Das würde ihm mit Sicherheit nicht gefallen!« Lennet blieb allein. Er wollte irgendein Essen kochen, und in der Zeit, während alles gar wurde, einen kleinen Ausflug in die Steuermannskajüte machen. Vielleicht hatte er ja Glück...
Er stieg durch die Luke und kletterte nach unten, wo sich die Küche - oder die Pantry, wie Sosthene sagte - befand.
Er war kaum im unteren Gang angekommen, als eine kräftige Hand aus dem Nichts kam und ihm einen harten Schlag auf den Adamsapfel versetzte. Gleichzeitig spürte er einen heftigen Tritt in die Kniekehle. Lennet verlor das Gleichgewicht und taumelte nach hinten. Die kräftige Hand griff in seine Jacke und unter sein Hemd. Und ehe Lennet noch reagieren konnte, war seine 22er Long Rifle verschwunden.
Der Geheimagent war ein hervorragender Judoka. Er wehrte sich nicht, sondern paßte sich den Bewegungen seines Gegners geschmeidig an. Der Angreifer verlor das Gleichgewicht und rollte samt Lennet in die abgedunkelte Kabine, aus der er gekommen war. Hinter ihnen fiel die Tür mit lautem Krachen ins Schloß.
Nun endlich konnte Lennet sich befreien. Mit einer heftigen Drehung des Oberkörpers entkam er der Umklammerung, rollte sich zur Seite und packte die Hände seines Gegners, die er mit eisernem Griff festhielt. Dann kam er auf die Knie und wollte gerade zuschlagen...
Aber er schlug nicht. Sein Gegner war ein junges Mädchen.
Ein schwarzes junges Mädchen.
»Guten Morgen", sagte Lennet. »Ich fürchte, hier liegt ein Irrtum vor...« Doch das Mädchen ging in keiner Weise auf Lennets freundliche Worte ein. Im Gegenteil. Sie zog ihren Vorteil aus der Tatsache, daß der Geheimagent sie losgelassen hatte, und griff ihn erneut heftig an.
Wieder verlor Lennet das Gleichgewicht. Er machte eine Rolle vorwärts und ließ dabei die Hand mit der Pistole los.
Am anderen Ende der Kabine stand er auf. Auch die junge
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