18 - Geheimagent Lennet und die Doppelgängerin
Poli trocken.
Der Krisenstab tagt
Im Innenministerium, in einem hohen Saal, der mit weißem und goldenem Stuck verziert war, saßen mehrere Männer um einen Tisch in feinster Intarsienarbeit.
Präsident Andronymos thronte mit seiner imposanten Masse auf einem viel zu zierlichen Louis-XV-Stühlchen. Ihm gegenüber blätterte Kommissar Didier in einem Stapel Zeitungen und pfiff dabei durch die Zähne. Hauptmann Blandine, dessen Brille mit Goldrand ein wenig schief saß, wirkte unruhig. Er schien auf irgend etwas zu warten. Der Staatssekretär, der den Premierminister vertrat, und der General, der für den Präsidenten gekommen war, steckten ihre Köpfe zusammen und tuschelten. Auch sie fühlten sich offenbar nicht recht wohl in ihrer Haut.
Endlich drehte der Staatssekretär sich zu Andronymos um.
»Herr Präsident", sagte er, »Sie müssen doch zugeben, daß diese Geschichte, die Sie uns da erzählen, ziemlich unwahrscheinlich ist. Nicht daß wir Ihnen nicht glauben! Aber Sie werden verstehen, daß die Öffentlichkeit sich nicht damit zufriedengeben wird. Wenn wir der Presse erklären, daß der Militärattache einer ausländischen Botschaft sich die Freiheit nimmt, mitten in Paris junge Mädchen zu entführen und auszutauschen, um einem Präsidenten ein Versprechen zu entlocken, dann wird man uns mit Sicherheit vorwerfen, daß wir diese Geschichte erfunden haben, um den wahren Sachverhalt, sprich: die Erklärungen Ihrer Tochter, zu vertuschen!«
»Diese Erklärungen sind nicht von meiner Tochter!« Der unglückliche Vater war in weniger als zwei Stunden um Jahre gealtert. Obwohl er sich krampfhaft bemühte, seine Kaltblütigkeit zu bewahren, zitterten seine Hände sichtlich.
»Natürlich, natürlich", beeilte sich der Staatssekretär zu sagen, »aber nichtsdestoweniger wird man annehmen, daß die französische Regierung, die sich der Regierung der Ebenholzküste eng verbunden fühlt, die ganze Komödie nur inszeniert, um die Welt glauben zu machen, daß Ihr Volk dem unseren nicht feindlich gesinnt ist, und daß unser Land nicht dabei ist, erneut zur Kolonialmacht zu werden, wenn ich mich so ausdrücken darf. Und noch eine andere Vermutung wird sich aufdrängen: Sie, als treuer Freund Frankreichs erfahren plötzlich, daß Ihre Tochter, die zugegebenermaßen einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Jugend Ihres Landes hat, ihre Meinung geändert hat und mit uns Franzosen nichts mehr zu tun haben will. Das ändert zwar nichts an Ihrer profranzösischen Haltung, aber die Sache ist Ihnen dennoch sehr peinlich, und Sie hoffen, daß Sie sie mit der Zeit zur Vernunft bringen können. Mittlerweile teilen Sie der Presse mit, daß Ihre Tochter eine Doppelgängerin hat. Das wäre doch recht scharfsinnig!« Andronymos musterte den Staatssekretär geringschätzig.
»Sind Sie wirklich der Meinung, daß ich das getan haben könnte? Dann frage ich mich, wozu ich noch hier sitze!«
»Aber, aber, Herr Präsident. Natürlich glauben wir nicht, daß Sie uns falsche Informationen geben. Aber ob die Öffentlichkeit das auch glaubt? Ich bin mir da nicht so sicher.« Der Präsident zuckte mit seinen breiten Schultern. Er fühlte, daß diejenigen, die er für seine Freunde gehalten hatte, mittlerweile an ihm zweifelten, daß es nur Mißtrauen gab, wo er auf Unterstützung gehofft hatte.
»Ich werde in jedem Fall mit dem Premierminister über die Angelegenheit sprechen", begann der Staatssekretär nun wieder, »aber zuvor bitte ich die Herren von Polizei und Geheimdienst, uns die letzten Neuigkeiten mitzuteilen. Herr Hauptkommissar?« Didier schnaufte wie ein Seehund. »Als der Herr Präsident uns gebeten hatte, seine Tochter zu verhaften, sind wir sofort in die Wohnung des Mädchens gefahren. Dort haben wir sie allerdings nicht gefunden und auch keinen Hinweis auf ihren derzeitigen Aufenthaltsort", referierte er. »Wir haben einige Inspektoren zur Sorbonne geschickt, um sich über die von ihr belegten Vorlesungen zu informieren. Aber Sie wissen ja sicher selbst, wie das an der Uni ist, die Studenten gehen nicht immer in die von ihnen belegten Kurse, und manchmal finden auch Vorlesungen statt, die gar nicht im Verzeichnis stehen. Kurz und gut, wir haben sie bis jetzt noch nicht gefunden. Wenn man allerdings der letzten Ausgabe der Abendzeitungen Glauben schenken darf, war sie heute von fünf bis sechs in einer Vorlesung über politische Ideen großer Schriftsteller. Dort hat sie eine ähnliche Erklärung abgegeben
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