18 Geisterstories
Prinzipal. Er ist einer aus der letzten Garde der alten Schauspieler-Manager. Er hat zwar nicht den Namen eines Gielgud oder Olivier oder Evans oder Richardson, aber er hat dennoch die meiste Zeit seines Lebens damit verbracht, Shakespeare am Leben zu erhalten, indem er – wie es Benson einst tat – Shakespeares magisches, a-religiöses Evangelium in den entferntesten Regionen der Welt, in den Dominions und in den Vereinigten Staaten verbreite te. Unsere anderen Schauspieler haben sich noch keinen großen Namen gemacht – ich weigere mich, Ihnen meinen eigenen Namen zu verraten! –, aber mit Ausnahme meiner unbedeutenden Person sind sie alle gute Tournee-Schauspieler geworden oder ausgeschieden, falls es ihnen nicht gelang, dies in der ersten Saison zu schaffen. Strapaziös lange Spielzeiten, viel unbequemes Reisen und kleine Gagen sind unser Schicksal.
Besagte Spielzeit war bis zu jenem vertrauten Punkt gediehen, an dem sich die Stücke glatt herunterspielen und jeder ein bißchen müder ist, als er es sich selbst eingesteht. Dann setzt meist Ruhelosigkeit ein. Robert Dennis, unser jüngster Schauspieler, schrieb morgens im Hotel an einem Roman über das Theaterleben, wie er sagte. Der arme alte Guthrie Boyd hatte wieder zu trinken begonnen, und er trank nach einer Abstinenz von zwei Monaten, die jeden erstaunt hatte, wieder viel zuviel. Francis Farley Scott, unser Star, ließ es sich nicht nehmen, uns immer wieder darauf hinzuweisen, daß er gerade im Begriff stehe, für das nächste Jahr auf eigene Faust ein Shakespeare-Repertoirensemble zu or ganisieren. Er fing konspirative Gespräche mit Gertrude Grainger an, unserem weiblichen Star, und zog dauernd einen nach dem anderen von uns beiseite, um uns hypothetische Angebote zu machen, wobei er es stets vermied, die genaue Höhe der Gagen zu nennen. F.F. ist genauso alt wie der Prinzipal, der natürlich unser wirklicher Star ist, und er hat außer dem Talent der Selbstverblendung und einer irgendwie grandiosen, eindrucksvollen Art der Darstellung kaum andere Talente. Er sieht stattlich wie ein Operntenor aus, ist ganz kahl und führt deshalb immer ein Sortiment von dreißig Toupets in allen Farben von rot bis graumeliert mit sich, die er mit schamloser Ungezwungenheit wechselt – er trägt sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch außerhalb des Theaters. Es macht ihm nichts aus, daß die Truppe alles über seine künstliche bunte Haarpracht weiß, denn wir sind Teil seiner Welt der Illusionen, und er ist fest davon überzeugt, daß die theaterbegeisterten Damen des Ortes, denen er den Hof macht, nichts davon bemerken oder auf jeden Fall die Täuschung achten.
Jedes Jahr plant F.F. eine eigene Truppe zu gründen – es ist ein fester Brauch mitten in jeder Spielzeit –, und jedes Jahr wird nichts daraus, denn er ist ebenso faul und unpraktisch wie eingebildet. Doch F.F. glaubt fest daran, daß er alle Shakespeare-Rollen oder gar alle auf einmal spielen kann, wenn es darauf ankommt; die einzige F.F. Scott-Truppe, die ihn wirklich befriedigen könnte, wäre wahrscheinlich eine, in der er als einziger Schauspieler aufträte – ein einziger und einzigartiger Shakespeare-Monolog. Tatsächlich ist F.F. nur in einer Hinsicht nicht faul, und zwar in seinem Eifer, in jedem Stück soviel Rollen wie möglich zu übernehmen. F.F.’s jährliche Intrigen kümmern den Prinzipal keinen Deut – er wartet vielmehr jedesmal nachsichtig auf F.F. um ihn dann mit eindringlichem Blick zu fixieren und mit rauher Stimme zu fragen, ob er sich nicht seinerseits der Scott-Truppe anschließen dürfe.
Und ich hoffte natürlich, daß jetzt auch Monica Sin gleton
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