18 Geisterstories
man das Ausbleiben Hildemanns durch seinen Tod entschuldigen müsse.
Vier Geister in ›Hamlet‹ von
Fritz Leiber
Fritz Leiber wurde 1910 als Sohn des gleichnamigen Stummfilmstars und Shakespeare-Darstellers geboren. Er studierte an der Universität in Chicago, promovierte in Philologie und begann Erzählungen für Kinder zu schreiben. Während der Zeit der großen Depression schloß sich Leiber der herumziehenden Schauspieltruppe seines Vaters an – er kennt also das Milieu bestens, das er in seiner ›Hamlet‹-Paraphrase beschreibt –, und spielte in einigen Hollywood-Filmen kleine und kleinste Nebenrollen. Dann gab er die Schauspielerei auf und versuchte es mit Schreiben. 1939 begann er in dem amerikanischen Magazin ›Weird Tales‹ fantastische Geschichten zu veröffentlichen.
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Schauspieler sind wahrscheinlich deshalb so abergläubisch, weil der Zufall eine gewichtige Rolle beim Erfolg einer Theaterproduktion spielt – und weil wir in unserer Lebensweise und Denkart ein wenig näher mit den Zigeunern verwandt sind als andere Leute. So bringt es zum Beispiel Unglück, auf der Bühne Pfauenfedern zu tragen, bei den Proben die letzte Zeile eines Stückes zu deklamieren und in der Garderobe zu pfeifen (wer der Tür am nächsten steht, wird gefeuert) oder gar die Nationalhymne im Zug zu singen (eine kanadische Theatertruppe ist auf diese Weise bankrott gegangen).
Shakespeare-Darsteller bilden von dieser Regel keine Ausnahme. Sie haben sich lediglich den einen oder anderen Extra-Aberglauben zu eigen gemacht, etwa jenen, demzufolge es streng untersagt ist, die Verse der drei Hexen oder irgend etwas anderes aus Macbeth zu rezitieren, es sei denn bei Aufführungen, Proben oder anderen legitimen Anlässen.
In unserer Theatertruppe, der ›Governor’s Company‹ gilt die Regel, daß der Geist in Hamlet seinen grünen Schleier aus Nesseltuch erst dann über sein behelmtes Gesicht fallen lassen darf, wenn sein Auftritt unmittelbar bevorsteht. Hamlets toter Vater darf also nicht verschleiert in den dunklen Kulissen stehen.
Dieser letzte Aberglaube erinnert an einen Vorfall, der sich vor nicht allzu langer Zeit ereignete – eine echte Geistergeschichte. Manchmal denke ich, es ist die größte Geistergeschichte der Welt – zwar nicht in der geschwätzigen und armseligen Art, wie ich sie erzähle, beileibe nicht, sondern vor allem wegen ihrer wunderbaren Atmosphäre und Ausstrahlung.
Es ist nicht nur eine wahre Erzählung aus dem Bereich des Übersinnlichen, sondern mehr noch eine Geschichte über Geister und Menschen: dies vor allem.
Der gespenstische Teil der Geschichte zeigt sich gleich in höchst trauriger Weise: Drei unserer Schauspielerinnen (also praktisch alle Damen einer Shakespeare-Truppe) pflegten sich in der Stunde, bevor der Vorhang aufgeht, und manchmal auch während der Aufführungen, wenn sie allzu lang auf ihren Auftritt warten mußten, mit Sitzungen am Ouija-Brett {1} zu beschäftigen. Sie gingen so sehr in dieser Beschäftigung auf und plapperten so aufgeregt durcheinander angesichts der Enthüllungen, welche das Brett ihnen vorbuchstabierte – drei – oder viermal verpaßten sie deswegen sogar ihren Auftritt –, daß der Prinzipal ihnen sicherlich verboten hätte, das Brett ins Theater mitzubringen, wenn er nicht ein selten toleranter Prinzipal gewesen wäre. Ich bin sicher, daß er mehr als einmal versucht war, das Verbot trotzdem auszusprechen, und er hätte es auch getan, wenn nicht Props ihn darauf aufmerksam gemacht hätte, daß sich unsere drei Damen ohne Publikum in der
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