18 Geisterstories
in den vergangenen Leben gewesen seien. Ich war nicht überrascht, aus ihrem Munde zu hören, daß Gertru de Grainger die Königin Boadicea gewesen sei. In Sybil Jameson, vernahm ich, hätten wir eine Reinkarnation der Kassandra vor uns, während Monica in ihrem früheren Leben einmal die wahnsinnige Königin Johanna von Kastilien und später eine hysterische Patientin Janets an der Salpetriere gewesen sei – Dinge, die mich mehr irritier ten und erschreckten, als sie es hätten tun dürfen. Props habe als ägyptischer Silberschmied unter Hatshepsud und spä ter als Diener bei Samuel Pepys gelebt – er hörte sich dies entzückt kichernd an. Guthrie Boyd bekam den Imperator Claudius zugewiesen, während Robert Dennis sich mit Caligula zufrieden geben mußte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grunde sei ich sowohl John Wilkes Booth als auch Lambert Simnel gewesen, was mich in höchstem Maße verunsicherte, denn ich sah in der Ermordung eines amerikanischen Präsidenten keine Romanze, sondern allenfalls eine Neurose. Die Tatsache, daß sich beide – Booth und Simnel – als Schauspieler versucht hatten, als Schmierenschauspieler überdies, bestürzte mich am meisten. Erst sehr viel später bekannte mir Monica, daß das Brett wahrscheinlich diese Entscheidungen getroffen ha be, weil ich einen solch ›tragischen, gefährlichen, niedergeschlagenen Blick‹ gezeigt hätte – eine Enthüllung, die mich überraschte und die mir zugleich schmeichelte.
Auch Francis Farley Scott war geschmeichelt, als er hörte, daß er einmal Heinrich VIII. gewesen sei. Er stellte sich alle Ehefrauen Heinrichs vor und trug nach dieser Abendvorstellung sein goldblondes Toupet, bis Gertrude, Sybil und Monica uns wissen ließen, daß der Prinzipal eine Reinkarnation von keinem geringeren als William Shakespeare höchstpersönlich sei. Das machte F.F. so eifersüchtig, daß er sich sofort am Requisitentisch niederließ, einen Federkiel ergriff und uns in einem gelungenen Impromptu vorspielte, wie Shakespeare seinen Hamlet-Monolog ›Sein oder Nichtsein‹ dichtete. Es war eine sehr wirkungsvolle Vorstellung, wenngleich von beträchtlich mehr Stirngefurche, Augengerolle und Stimmaufwand begleitet, als Willy S. ursprünglich wohl selbst aufgewendet haben mochte. Als F.F. aufhörte, applaudierte sogar der Prinzipal, der neben Props unbeobachtet im Schatten gestanden und die Szene beobachtet hatte.
Der Prinzipal wies die Idee, eine Reinkarnation von Shakespeare zu sein, spöttisch entrüstet von sich. Er sag te, daß Willy S. sollte er jemals eine Reinkarnation erleben, bei einem weltberühmten Dramatiker am besten aufgehoben sei, und geradezu ideal wäre es, wenn dieser heimlich in seiner Freizeit zugleich für seinen Nachruhm als der Welt größter Wissenschaftler und Philosoph sorgte, Hinweise auf seine Identität einzig und allein in Form mathematischer Gleichungen hinterlassend – in der Art etwa, wie man später hinter Shakespeare Bacon oder die Baconianer vermutete. Doch meine ich, daß Gilbert Us her, wenn man schon jemanden für eine Reinkarnation Shakespeares suchte, gewiß keine schlechte Wahl gewesen wäre. Denn der Prinzipal ist ebenso vornehm und selbstlos, wie Shakespeare selbst es gewesen sein mußte – ansonsten wäre wohl niemals diese lächerliche Bacon-Oxford-Marlowe-Elizabeth – ›Wer schrieb nun eigentlich Shakespeares Dramen?‹ – Kontroverse entstanden. Der Prinzipal denkt in milder Melancholie an Shakespeare, obwohl er umgänglicher und trotz seiner Jahre athletischer
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