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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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die­sem The­ma, auch die et­was wis­sen oder zu wis­sen glau­ben.«
    »Der dort«, fuhr der Al­te fort, als ob er nicht ge­hört hät­te, und zeig­te mit sei­nem dün­nen fal­ti­gen Fin­ger zu dem Guck­loch:
    »Der heu­ti­ge, den ken­ne ich. Ich hat­te Wa­che in sei­ner Zel­le. Ja, ja, in der Zel­le 8A, in der Sie heu­te nacht ne­ben Hil­ary Chan­ning schla­fen wer­den.«
    »Ge­nug!« schrie Smit­her­son, be­müht, sei­ner Stim­me Fes­tig­keit zu ver­lei­hen.
    »Vor sie­ben Jah­ren … viel­leicht sind es schon acht«, fuhr Cle­vens un­er­bitt­lich fort. »Hat man denn hier über­haupt einen wah­ren Be­griff von der Zeit – wo doch nur Leid- und To­des­stun­den schla­gen? Sie­ben Jah­re oder acht, ist ja un­wich­tig. Sei­nen Na­men ken­ne ich nicht, und ich be­zweifle so­gar, ob ich ihn über­haupt ge­kannt ha­be. Sie äh­neln ein­an­der so stark, die Män­ner, die hier am frü­hen Mor­gen auf die­se Wei­se ster­ben, mit der schwar­zen Ka­pu­ze über dem Kopf! Aber die­ser hat­te nicht ganz das glei­che Ge­sicht wie die an­de­ren. An ihm war al­les un­ge­heu­er: sei­ne Sta­tur, sein Ge­sicht, sei­ne Au­gen, ja be­son­ders sei­ne Au­gen.«
    Rock war ge­schla­gen. Es fiel ihm schwer, von Din­gen re­den zu müs­sen, die ge­mäß ei­nem stil­len Über­ein­kom­men von al­len mit Schwei­gen über­gan­gen wur­den; heu­te je­doch schi­en es ihm, als be­freie er sei­ne Schul­tern, in­dem er dem al­ten Pfört­ner plötz­lich zu­stimm­te, von ei­ner all­zu schwe­ren Last.
    »Es ist wahr«, sag­te er, »sie kom­men al­le wie­der, und den ha­be ich ganz deut­lich er­kannt!«
    »Ein ge­bil­de­ter Jun­ge«, sag­te Cle­vens. »Hier ver­blüff­te er al­le durch sein Wis­sen.«
    »Er hieß Brown, bes­ser ge­sagt, er ließ sich so nen nen«, sag­te nun Smit­her­son, »denn das war ein falscher Na­me, und nie­mand ge­lang es je, sei­ne Iden­ti­tät fest­zu­stel­len.«
    »Er­in­nern Sie sich, was er zu Pas­tor Par­ming­ton sag­te, der ihm in den letz­ten Wo­chen bei­stand? In der Stun­de sei­ner Hin­rich­tung sag­te er ihm: ›Und Sie glau­ben wohl, daß jetzt al­les zu En­de ist?‹«
    »Und da­bei hat er ge­lacht«, füg­te Rock fins­ter hin­zu. »Sein La­chen war don­nernd, es hall­te durch den Gang, den er durch­schritt, ehe er hin­kam …«
    »Er ist zu­rück­ge­kom­men!« mur­mel­te Cle­vens. »Er kommt je­des­mal in der Nacht vor ei­ner Hin­rich­tung wie­der. Fast als hät­te er von Gott weiß wel­chen schreck­li­chen Her­ren einen Auf­trag, sie ho­len zu kom­men!«
    »Ge­nug!« rief Smit­her­son. »Jetzt ist es aber ge­nug, Cle­vens: man könn­te wirk­lich mei­nen, es macht den Men­schen und Din­gen Ver­gnü­gen, ei­nem in sol­chen Näch­ten die Ner­ven zu zer­rei­ßen.«
    Er blick­te auf den Dienst­plan und stieß einen großen Seuf­zer der Er­leich­te­rung aus.
    »Wie ich se­he, löst mich Wäch­ter So­a­mes um zwei Uhr im 8A ab; so muß ich den Ge­fan­ge­nen nicht we­cken und ihm sa­gen: »›Fas­sen Sie Mut!‹ Ah, ist das ein Be­ruf!«
    Er traf Chan­ning in tie­fem Schlaf an; er at­me­te leicht, auf sei­nen ein we­nig ge­öff­ne­ten Lip­pen lag ein lei­ses Lä­cheln.
    »Ein­und­zwan­zig Jah­re«, mur­mel­te er. »Was für ein lan­ges und schö­nes Le­ben so ein Jun­ge noch vor sich ha­ben könn­te, ein Le­ben vol­ler Freu­den. Und in we­ni­gen Stun­den wird man ihm ein paar Schau­feln un­ge­lösch­ten Kalk über das Ge­sicht schüt­ten … Mein Gott!«
    Chan­ning mur­mel­te im Traum ei­ni­ge un­ver­ständ­li­che Wor­te, dann be­gann er laut­los zu la­chen.
    »Und Gott weiß, von was für schö­nen Din­gen er noch träu­men kann«, setz­te Smit­her­son sei­nen Mo­no­log fort.
    Er konn­te in dem Arm­ses­sel, den ihm die Di­rek­ti­on für die­se tra­gi­schen Stun­den zu­teil­te, nicht schla­fen, und als So­a­mes ihn ab­lö­sen kam, fiel Smit­her­son ei­ne Last vom Her­zen.
    Er be­gab sich schwe­ren Schritts in den Wach­raum, wo Feld­bet­ten auf­ge­schla­gen wa­ren und wo er hoff­te, doch noch ein we­nig Ru­he zu fin­den.
    Als er die Tür des recht an­ge­nehm ein­ge­rich­te­ten Lo­kals auf­s­tieß, konn­te er nur schwer ei­ne är­ger­li­che Ges­te un­ter­drücken.
    Ein di­cker Mann

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