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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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zu­sam­men­ge­sto­ßen, der plötz­lich vor ihm auf­tauch­te. Der Fuß­gän­ger trat wort­los zur Sei­te, kam je­doch da­bei in die hell er­leuch­te­te Zo­ne ei­nes der ho­hen elek­tri­schen Licht­mas­te.
    Rock sah ein läng­li­ches, schma­les und blas­ses Ant­litz, in dem große, tief­lie­gen­de Au­gen dunkle Höh­len bil­de­ten.
    »Zum Teu­fel!« brumm­te er, »ein we­nig ein­neh­men­des Ge­sicht!«
    Er wand­te den Kopf und blick­te der ho­hen Sil­hou­et­te nach, die rasch in der Nacht ver­schwand.
    »Hmm!« mur­mel­te er, »mir scheint doch, den ken­ne ich, nur war er sonst we­ni­ger häß­lich.«
    Er ging zum Auf­se­herein­gang und drück­te auf ei­ne Klin­gel.
    Im ver­git­ter­ten Vier­eck ei­nes Guck­lochs er­schi­en ein Kopf.
    »Auf­se­her Smit­her­son! … Ich öff­ne so­gleich!«
    Die Schlüs­sel klirr­ten, das lau­te Kli­cken der Schlös­ser hall­te von der Tür zu­rück.
    »Gu­ten Abend, Cle­vens. Drei Mi­nu­ten zu früh, so­viel ich se­he. Mehr als ge­nug.«
    Smit­her­son be­tä­tig­te den He­bel der Stech­uhr, stem­pel te ei­ne Kar­te und seufz­te er­leich­tert: die Di­rek­ti­on dul­de­te kei­ne ein­zi­ge Mi­nu­te Ver­spä­tung.
    »Sa­gen Sie, Herr Auf­se­her …«
    Cle­vens zö­ger­te sicht­lich; er war grau­haa­rig und sah, trotz der dunklen, stren­gen Uni­form, sanft und schüch­tern aus.
    »Was gibt es Neu­es, mein Lie­ber?«
    »Ha­ben Sie nicht zu­fäl­lig … äh, einen Witz­bold ge­se­hen, der zum Spaß klin­gel­te und mir, als ich das Guck­loch öff­ne­te, ins Ge­sicht lach­te?«
    »Nie­mand«, ant­wor­te­te Smit­her­son. »Die Stra­ße war leer, üb­ri­gens ist sie um die­se Zeit nie sehr be­lebt. Doch, war­ten Sie … Un­ter dem ers­ten Licht­mast bin ich fast in einen Kerl hin­ein­ge­lau­fen, der nicht ge­ra­de be­son­ders höf­lich war …«
    »Mit ei­nem großen schwar­zen Schlapp­hut …«
    »Das war er!«
    Cle­vens zö­ger­te im­mer noch; er kratz­te sich ver­le­gen am Kinn.
    »Er sag­te: ›Mor­gen ist es so­weit, nicht wahr, du Men­schen­schläch­ter?‹ Ich schlug ihm das Guck­loch vor der Na­se zu, die ist bei ihm so scharf wie ein Mes­ser, aber ich hör­te ihn ru­fen: ›Um acht Uhr, wie? … ge­nau wie bei mir!‹«
    »Bei al­len Hei­li­gen!« fluch­te Rock. »Hat er das ge­sagt?«
    Cle­vens kam nä­her und hauch­te:
    »Und … und … Herr Auf­se­her, hat­ten Sie nicht den Ein­druck, ihn zu ken­nen?«
    »Nein«, sag­te Smit­her­son. »… ob­wohl ei­gent­lich …« Er ahm­te au­to­ma­tisch die Ges­te des Pfört­ners nach und kratz­te sich mit sei­nen kur­z­en di­cken Nä­geln am Kinn. »Tat­säch­lich schi­en mir sein Ge­sicht nicht ganz un­be­kannt. Es er­in­ner­te mich an je­mand …«
    »Der hier bei uns war, nicht wahr, Herr Auf­se­her? Oh, ich bin ja so froh, daß ich bald in den Ru­he­stand tre­te. Noch drei Mo­na­te, dann fah­re ich zu­rück in die Mid­lands. Denn ich sag’ es Ih­nen, Rock Smit­her­son, sie kom­men wie­der …«
    »Cle­vens«, sag­te der an­de­re fast fle­hend, »wenn man in der Di­rek­ti­on er­fährt, daß Sie der­lei Din­ge sa­gen …«
    Der Al­te brach in lei­ses bit­te­res La­chen aus.
    »Die kön­nen mir nichts an­ha­ben, das sag’ ich Ih­nen noch­mals; in drei Mo­na­ten neh­me ich mei­nen Hut, und dann be­kom­me ich mein Ru­he­ge­halt. Sie kom­men wie­der, Smit­her­son, al­le, al­le! Ich tra­ge die­se Uni­form seit vier­zig Jah­ren. Mit zwei­und­zwan­zig hab’ ich sie im Ge­fäng­nis von Hull zum ers­ten­mal an­ge­zo­gen. Dann war ich in Li­ver­pool, spä­ter kam ich nach Lon­don, dann war ich in Ne­w­ga­te, in Rea­ding, und schließ­lich zum En­de mei­ner Lauf­bahn im Mus­ter­ge­fäng­nis Penton­ville. Ich weiß, was ich sa­ge, und die an­de­ren wis­sen es so gut wie ich, aber sie wa­gen es nicht zu sa­gen, weil es die Di­rek­ti­on ver­bie­tet. Hö­ren Sie, Rock Smit­her­son, Sie ha­ben bald drei­ßig Dienst­jah­re. Sie sind al­so we­der ein An­fän­ger noch ein Stüm­per in dem Be­ruf. Nun, wa­gen Sie es zu leug­nen? Kom­men sie wie­der, ja oder nein?«
    »Ach, Cle­vens«, stöhn­te der Auf­se­her, »warum sa­gen Sie das? Es ist nicht gut, da­von zu re­den. Kei­ner tut es hier … Je­der schweigt von

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