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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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saß mit ver­gnüg­ter Mie­ne am Tisch vor ei­ner rie­si­gen damp­fen­den Tee­kan­ne und be­grüß­te ihn herz­lich.
    »Gu­ten Mor­gen, Smit­her­son, wie wär’s mit ei­ner Kar­ten­par­tie?« schlug er vor und streck­te ihm sei­ne ge­wal­ti­ge, be­haar­te Hand ent­ge­gen.
    Der Auf­se­her drück­te sie, wisch­te aber dann sei­ne Hand takt­voll, oh­ne daß der an­de­re es merk­te, an sei­ner Jop­pe ab.
    »Sie kom­men recht früh, Duck«, sag­te er.
    Der Mann lach­te.
    »Das letz­te­mal, Smit­her­son, wä­re ich fast zu spät ge­kom­men und hab’ mir al­ler­hand an­hö­ren müs­sen! Al­so, nun ver­ste­hen Sie mich?«
    Es war nicht das ers­te­mal, daß Duck, der Hen­ker von Penton­ville, sein Kar­ten­part­ner war, aber heu­te ver­trug Rock die An­we­sen­heit des Schand­to­des­knechts nur schwer: er dach­te an das ro­si­ge paus­bä­cki­ge Ge­sicht Hil­ary Chan­nings, an sei­nen wei­ßen Jung­mäd­chen­hals und sah, nicht oh­ne Ab­scheu, wie Ducks Af­fen­hän­de die Kar­ten be­feuch­te­ten und sorg­fäl­tig be­tas­te­ten, ehe er sie auf­leg­te.
    Die Par­ti­en wur­den schwei­gend ge­spielt, denn Duck war ein auf­merk­sa­mer Spie­ler und ver­lor un­gern. Das blieb ihm üb­ri­gens er­spart, der klei­ne Pen­ny­hau­fen ne­ben ihm auf dem Tisch wur­de im­mer grö­ßer.
    Plötz­lich stell­te Smit­her­son ei­ne Fra­ge, und er soll­te sich noch viel spä­ter dar­über wun­dern, daß er es ge­tan hat­te.
    »Duck, er­in­nern Sie sich an Brown?«
    Die Stirn des di­cken Man­nes run­zel­te sich; er streng­te sein Ge­dächt­nis an.
    »Brown? Ach, das will ich mei­nen! … al­ler­dings gibt es nicht we­ni­ge die­ses Na­mens. Ich ken­ne einen Stall­knecht … doch nein, ich neh­me an, Sie spre­chen von ei­nem eins­ti­gen Kun­den? Mal se­hen!«
    Er leg­te die Kar­ten hin und ver­ab­reich­te sich einen kräf­ti­gen Schlag auf einen sei­ner di­cken Ober­schen­kel.
    »Brown? Ah, na­tür­lich er­in­ne­re ich mich an ihn! Der war mein ers­ter Kun­de in Penton­ville. Ich kam da­mals von Li­ver­pool. Ein großer Schwarz­haa­ri­ger, ei­ne wah­re Boh­nen­stan­ge. Ich hat­te den Kerl ganz ver­ges­sen, üb­ri­gens, ich ver­ges­se sie al­le. Wenn Sie glau­ben, ich be­las­te mein Ge­dächt­nis mit ih­ren Ge­sich­tern! Warum spre­chen Sie von ihm?«
    »Nichts Be­son­de­res«, ant­wor­te­te Smit­her­son, des­sen Lip­pen ein we­nig beb­ten. »Ei­gent­lich, weil er Ihr ers­ter hier war …«
    »Ich ar­bei­te nun schon seit acht Jah­ren in die­sem Ge­fäng­nis«, fuhr Duck fort, »und ich be­kla­ge mich nicht, denn an Ar­beit hat’s hier noch nie ge­man­gelt. Mit dem nächs­ten da drü­ben wer­den es …«
    Er zähl­te un­ter Zu­hil­fe­nah­me sei­ner di­cken spa­tei­för­mi­gen Fin­ger.
    »Hol mich der Teu­fel, wenn ich mich er­in­ne­re … drei­ßig, ein­und­drei­ßig, viel­leicht zwei­und­drei­ßig … Nein, jetzt hab’ ich’s, Smit­her­son, fünf­und­drei­ßig!«
    Er stütz­te die Ell­bo­gen auf den Tisch und schi­en nach­zu­den­ken.
    »Fünf­und­drei­ßig … War­ten Sie, ich ha­be in Du­blin be­gon­nen, wo man nie oh­ne Ar­beit ist, und dort hab’ ich vier­zig be­för­dert, dann in Li­ver­pool fünf­und­zwan­zig. Ich bin für run­de Zah­len. Aber sieh mal an!« Er blick­te auf Smit­her­son aus weit­ge­öff­ne­ten Au­gen und brach plötz­lich in ein dröh­nen­des La­chen aus. »Das macht bald hun­dert … Ein Hun­der­ter! Wie scha­de, bei Gott, daß es hier kein Bier oder Gin gibt, das müß­te man be­gie­ßen.«
    Nun wur­de der gan­ze Mensch von sei­ner schwer­fäl­li­gen Hei­ter­keit ge­schüt­telt.
    »Ein Hun­der­ter! Mein Hun­derts­ter, ha! … Ist das ein Spaß! Mor­gen muß ich es den Freun­den und viel­leicht auch den Zei­tungs­re­por­tern er­zäh­len. Man wird mein Fo­to in den Blät­tern brin­gen, und ich be­kom­me ei­ne Prä­mie! Sieh mal an …«
    Duck schi­en plötz­lich nach­denk­lich zu wer­den, ge­wann aber bald sei­ne gu­te Lau­ne wie­der.
    »Ich den­ke an das Weib auf dem Jahr­markt in Beth­nal Green, als ich nach Lon­don kam. Bei Gott, ich hat­te längst nicht mehr an ih­re Hirn­ge­spins­te ge­dacht, aber jetzt fal­len sie mir wie­der ein. Es war ei­ne schmut­zi­ge

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