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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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Schwar­ze aus den In­seln, die dort wahr­sag­te: ›Sie brin­gen den Tod‹, sag­te sie mir, in­dem sie die Kar­ten und dann mei­ne Hand­li­ni­en be­trach­te­te. ›Was du nicht sagst, Al­te‹, mein­te ich, ›das tue ich – ganz her­vor­ra­gend.‹ ›Du wirst ihn hun­dert­mal brin­gen … das heißt, das hun­derts­te Mal bringst du ihn nicht mehr.‹ Nun, es hat sich ge­hö­rig ge­irrt, das Müt­ter­chen, und das wird der drü­ben bald be­zeu­gen kön­nen!
    Ich hab’ ihr einen Shil­ling ge­ge­ben, aber sie warf ihn in den Rinn­stein und schrie: ›Durch den ers­ten wirst du den letz­ten ver­lie­ren!‹ Das ha­be ich na­tür­lich nicht ver­stan­den. Ist doch ko­misch, Smit­her­son, daß ich mit mei­nem schlech­ten Ge­dächt­nis mich auf ein­mal an die­se längst ver­gan­ge­nen Din­ge er­in­ne­re.«
    Die Glo­cke im Saal ließ vier dump­fe Schlä­ge er­tö­nen.
    »Ich wer­de jetzt das Ge­rüst auf­bau­en«, sag­te Duck. »Ich ha­be ge­nug Zeit vor mir, und ich baue es al­lein auf, seit ich mei­ne Hel­fer selbst be­zah­len muß; so er­spa­re ich mir ei­ne ganz hüb­sche Sum­me.«
    Smit­her­son wä­re gern ein­ge­schla­fen, doch es ge­lang ihm nicht.
    Er hör­te im Wach­zim­mer die Ham­mer­schlä­ge, mit de­nen Duck ne­ben­an in dem grau­si­gen klei­nen Saal die Quer­bal­ken fi­xier­te, und dann das Knar­ren der Fall­klap­pen­he­bel, de­ren ein­wand­frei­es Funk­tio­nie­ren er prü­fen woll­te.
    Fünf Uhr.
    In ei­ner hal­b­en Stun­de wür­de man die Re­veil­le für die Wäch­ter bla­sen müs­sen; die für die Ge­fan­ge­nen wur­de we­gen der Hin­rich­tung ver­scho­ben.
    Rock wun­der­te sich über Ducks Aus­blei­ben; der er­le­dig­te ge­wöhn­lich al­les im Handum­dre­hen.
    Er ging zur To­des­kam­mer, da ver­nahm er ein dump­fes Ge­räusch. Es schau­er­te ihn, denn er kann­te es nur zu gut: es war das Nach­ge­ben der Fall­klap­pe, ge­folgt von dem ab­scheu­li­chen wei­chen Auf­pral­len des Kör­pers am En­de sei­nes Fal­les.
    Im Geis­te sag­te er sich, daß das nicht nur ein­fach das Ge­räusch ei­ner Fall­klap­pen­pro­be war …
    Die Hin­rich­tungs­kam­mer war leer.
    Die Fall­klap­pe stand of­fen, und ein ge­spann­ter, ins Dun­kel rei­chen­der Strick schwang, lang­sam und re­gel­mä­ßig pen­delnd, hin und her.
    Er beug­te sich über das ab­sto­ßen­de, tie­fe Loch.
    Da sah er Duck … ge­hängt.
    Als Smit­her­son sich um­wand­te und einen Alarm­schrei aus­stieß, sah er, an den Gal­gen­pfos­ten ge­lehnt, den Geist Browns, der ihn mit furcht­ba­ren Au­gen an­sah.
    Ei­ne gnä­di­ge Ohn­macht ent­zog Smit­her­son dem Kreis der we­ni­gen Zeu­gen, die den nun fol­gen­den un­er­klär­li­chen Be­ge­ben­hei­ten bei­wohn­ten.
    Sie wer­den, nicht oh­ne Grund, in den Ak­ten von Penton­ville nicht er­wähnt; im Merk­buch des Di­rek­tors läßt sich je­doch das Feh­len von ei­nem hal­b­en Dut­zend Sei­ten fest­stel­len, die, sorg­fäl­tig her­aus­ge­schnit­ten, an­geb­lich noch im In­nen­mi­nis­te­ri­um auf­be­wahrt wer­den.
    Der Pfört­ner Cle­vens wur­de aus dem Halb­schlaf, der ihn ge­wöhn­lich ge­gen En­de der Nacht über­kam, nicht durch Lärm, denn es herrsch­te völ­li­ge Stil­le, son­dern durch ein ent­setz­li­ches Angst­ge­fühl ge­ris­sen, von dem ihm übel wur­de.
    »Das Herz«, sag­te er. »In mei­nem Al­ter …«
    Er warf einen Blick in den Kor­ri­dor und sah ei­ni­ge Schat­ten, die sich grup­piert in Rich­tung des zen­tra­len Rund­baus be­weg­ten.
    »Teu­fel«, brumm­te er, »was geht da vor?«
    Spä­ter hat Cle­vens vor al­lem be­tont, daß wäh­rend der schreck­li­chen Mi­nu­ten, wel­che er hilf­los, als Ge­fan­ge­ner ei­ner über­mensch­li­chen Ge­stalt, die ihn der Be­we­gung und der Spra­che be­raub­te, zu durch­ste­hen hat­te, ei­ne un­ge­heu­re Stil­le herrsch­te.
    Die zu­erst aus un­deut­li­chen Schat­ten be­ste­hen­de Grup­pe nahm all­mäh­lich kla­re und be­ängs­ti­gen­de For­men an.
    Die einen tru­gen ei­ne schwar­ze Ka­pu­ze über dem Kopf, die an­de­ren hat­ten das Ge­sicht ent­blö­ßt, und die er­kann­te er al­le; es wa­ren die Män­ner, die er im Mor­gen­grau­en mit ei­nem Strick um den Hals hat­te ster­ben se­hen:

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