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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ab­zu­le­gen, steck­te ich den Zahn zu mir. Ich woll­te ihn zu et­was ge­brau­chen, ir­gend­ei­ne Fi­gur dar­aus zu­recht­fei­len und ihn in einen der wun­der­li­chen Ge­gen­stän­de ein­fü­gen, die ich aus Holz schnitz­te.
    Ich nahm den Zahn mit nach Hau­se.
    Es war Herbst, und die Dun­kel­heit brach früh her­ein. Ich hat­te noch al­ler­lei an­de­res zu be­sor­gen, und es ver­gin­gen wohl ein paar Stun­den, bis ich mich in die Ge­sin­de­stu­be hin­über be­gab, um an mei­nem Zahn zu ar­bei­ten. In­des­sen war der Mond auf­ge­gan­gen; es war Voll­mond.
    In der Ge­sin­de­stu­be war kein Licht, und ich war ganz al­lein. Ich wag­te nicht, oh­ne wei­te­res die Lam­pe an­zu­zün­den, ehe die Knech­te her­ein­ka­men; aber mir ge­nüg­te das Licht, das durch die Ofen­klap­pe fiel, wenn ich tüch­tig Feu­er an­ma­ch­te. Ich ging des­halb in den Schup­pen hin­aus, um Holz zu ho­len.
    Im Schup­pen war es dun­kel.
    Als ich mich nach dem Holz vor­wärts tas­te­te, fühl­te ich einen leich­ten Schlag, wie von ei­nem ein­zel­nen Fin­ger, auf mei­nem Kopf.
    Ich wand­te mich has­tig um, sah aber nie­mand.
    Ich schlug mit den Ar­men um mich, fühl­te aber nie­mand.
    Ich frag­te, ob je­mand da sei, er­hielt aber kei­ne Ant­wort.
    Ich war bar­häup­tig, griff nach der be­rühr­ten Stel­le mei­nes Kopf­es und fühl­te et­was Eis­kal­tes in mei­ner Hand, das ich so­fort wie­der losließ. Das ist doch son­der­bar! dach­te ich bei mir. Ich griff wie­der nach dem Haar hin­auf – da war das Kal­te weg.
    Ich dach­te: Was mag das wohl ge­we­sen sein, das von der De­cke her­un­ter­fiel und mich auf den Kopf traf?
    Ich nahm einen Arm­voll Holz und ging wie­der in die Ge­sin­de­stu­be, heiz­te ein und war­te­te, bis ein Licht­schein durch die Ofen­klap­pe fiel.
    Dann hol­te ich den Zahn und die Fei­le her­vor.
    Da klopf­te es an das Fens­ter.
    Ich sah auf. Vor dem Fens­ter, das Ge­sicht fast an die Fens­ter­schei­be ge­drückt, stand ein Mann. Er war mir ein Frem­der, ich kann­te ihn nicht, und ich kann­te doch das gan­ze Kirch­spiel. Er hat­te einen ro­ten Voll­bart, ei­ne ro­te wol­le­ne Bin­de um den Hals und einen Süd­wes­ter auf dem Kopfe. Wor­über ich da­mals nicht nach­dach­te, was mir aber spä­ter ein­fiel: wie konn­te sich mir die­ser Kopf so deut­lich in der Dun­kel­heit zei­gen, na­ment­lich an ei­ner Sei­te des Hau­ses, wo nicht ein­mal der Voll­mond schi­en? Ich sah das Ge­sicht mit er­schre­cken­der Deut­lich­keit, es war bleich, bei­na­he weiß, und sei­ne Au­gen starr­ten mich an.
    Es ver­ging ei­ne Mi­nu­te.
    Da fing der Mann an zu la­chen.
    Es war kein hör­ba­res La­chen, son­dern der Mund öff­ne­te sich weit, und die Au­gen starr­ten wie vor­her, aber der Mann lach­te.
    Ich ließ fal­len, was ich in der Hand hat­te, und ein ei­si­ger Schau­er durch­rie­sel­te mich vom Schei­tel bis zur Soh­le. In der un­ge­heu­ren Mund­höh­le des la­chen­den Ge­sichts vor dem Fens­ter ent­deck­te ich plötz­lich ein schwar­zes Loch in der Zahn­rei­he – es fehl­te ein Zahn.
    Ich saß da und starr­te in mei­ner Angst ge­ra­de­aus. Es ver­ging noch ei­ne Mi­nu­te. Das Ge­sicht wur­de stark grün, dann wur­de es stark rot; das La­chen aber blieb. Ich ver­lor die Be­sin­nung nicht, ich be­merk­te al­les um mich her­um; das Feu­er leuch­te­te ziem­lich hell durch die Ofen­klap­pe und warf einen klei­nen Schein bis auf die an­de­re Wand hin­über, wo ei­ne Lei­ter stand. Ich hör­te auch aus der Kam­mer ne­ben­an, daß ei­ne Uhr an der Wand tick­te. Ganz deut­lich sah ich al­les; ich be­merk­te so­gar, daß der Süd­wes­ter, den der Mann vor dem Fens­ter auf­hat­te, oben im Kopf­stück von schwar­zer, ab­ge­nutz­ter Far­be war, daß er aber einen grü­nen Rand hat­te.
    Da senk­te sich der Kopf nach un­ten, ganz lang­sam, im­mer wei­ter, so daß er sich schließ­lich un­ter­halb des Fens­ters be­fand. Es war, als glei­te er in die Er­de hin­ein. Ich sah ihn nicht mehr.
    Mei­ne Angst war ent­setz­lich, ich fing an zu zit­tern. Ich such­te auf dem Fuß­bo­den nach dem Zahn, wag­te aber nicht, die Au­gen von dem Fens­ter zu ent­fer­nen – viel­leicht konn­te das Ge­sicht ja wie­der­keh­ren.
    Als ich den Zahn

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