18 Geisterstories
Versuchen beschloß ich diesmal zu warten, bis irgend etwas sich zeigen würde, und war bereit, die ganze Nacht auszuharren. – – – Wie lange es dauerte, weiß ich nicht mehr. Sehr lange jedenfalls. Später ging es viel rascher. – Ich sah also stundenlang durch den gelben Stein – wie gebannt. Und plötzlich, ganz von selbst, möchte ich sagen, rief ich den Namen Lilith unzählige Male aus.
Auf einmal war es mir, als bilde sich im Mittelpunkt des durchsichtigen Scheibchens etwas wie eine kleine Wolke. Doch nein – jetzt schien es außerhalb zu liegen, in der Ecke des Zimmers. Mein Denkvermögen begann einzuschlafen – ich sah nur unverwandt die gelbe Wolke an, wie sie wuchs und wuchs und wie es sich in ihr regte. Ich saß wie gelähmt. – Immer deutlicher sah ich die Gestalt einer Frau – einer nackten Frau mit langen Haaren. Dann verlor ich wohl die Besinnung, denn als ich mit dem Gefühl des Erwachens die Hände wieder bewegte, war die Erscheinung verschwunden.
Ich dachte zuerst an eine lebhafte Halluzination, die durch Autohypnose, durch die systematische Überreizung der Sehnerven nur zu erklärlich schien. Ich ging dann aus; den ganzen Abend, selbst im Theater – in einem blödsinnigen Vaudeville tauchte immer wieder das Wort, der Name Lilith in mir auf. Ich erinnere mich, daß ich verschiedenes darüber gelesen hatte. – Eine Teufelin – Adams erste Frau – – – der Succubus des Mittelalters.
Ich war schrecklich müde und ging früh nach Hause. Als ich im Bett lag, schlief ich fast augenblicklich ein. Und ich erwachte fast ebenso schnell – durch die Berührung eines Körpers, der mir nahe war. Eine Frau war in meinem Zimmer – – – schön wie ein Traumbild – in langes, goldenes Haar gehüllt, das knisternd über ihre Schultern floß.
Blaue Fünkchen sprangen durch das Goldgespinst.
Und das Seltsame war, daß ich weder Staunen noch Schreck fühlte. Ich fand es selbstverständlich, daß sie gekommen war. Ich wußte, daß dieser schlanke, biegsame Leib der meiner Geliebten, der Teufelin Lilith, war. Ach – ich hatte sie ja schon gekannt! Ich sah sie gewiß nicht zum ersten Male. Ich kannte die süßen Lippen, diese hellblauen Augen mit den winzigen Pupillen, die geschlitzt waren wie die der Katzen. Und ich suchte nach dem Blutströpfchen, daß sie wie einen Rubin auf der Unterlippe trug. Ich wußte, daß es immer auf ihrem blaßroten Munde zitterte. – Auch dieses gelbliche, dämmernde Licht, das mich mein Zimmer erkennen ließ, erschien mir als etwas längst Gewohntes.
Ich dachte aber das alles nicht – ich fühlte nur – ich fühlte alles – unaussprechlich deutlich und doch mit Worten nicht auszudrücken. So wie man Musik denkt – oder Farben – ich weiß es nicht zu sagen. Nur Wortgedanken, Begriffe waren mir in dieser und anderen Nächten etwas Fremdes, Plumpkörperliches, das mich sofort aus ihren Armen gerissen hätte.
Stellen Sie sich vor, Sie könnten Töne, Harmonien mit allen Sinnen wahrnehmen, – fühlen, – riechen, sehen – Doch nein! Ich kann Ihnen das nicht sagen –. Es war die Seligkeit. Ich löste mich in eine purpurdunkle Flamme auf – ich verging in Wonnen, die keiner ahnt –. Ich drehte mich in betörenden Lichtwirbeln, – körperlos und doch mit den Sinnen fühlend –. Ich wurde eins mit der Frau –, ein einziges göttergleiches Wesen –.
– – – Als mich mein Diener mit sanftem Rütteln weck te, war es hoher Mittag. Ich stand taumelnd auf –, betäubt, müde und vernichtet. An meinem Halse war ein dunkles Mal – das zerdrückte Kissen trug einen leuchtenden Flecken. Es war Blut – Liliths Abschiedskuß –!
An dem Tag ging ich nicht unter Menschen. Ich wollte niemanden sehen. Das Licht verging wieder, – der Abend kam. Ich lag wieder im Bett
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