18 Geisterstories
mehr im näheren Umkreis wußten ebenfalls davon. Doch das waren schon alle. Das Ereignis, das in Yorktown eingetreten war, beschränkte sich noch auf Yorktown. Colonel Tench Tilghman war es, der den Auftrag hatte, die Botschaft in die ganze Welt hinauszutragen – die Nachricht, daß sie fortan anders sein müsse.
Als er vor Washingtons Zelt stand, dachte er, daß dies eine zu große Aufgabe für einen Menschen sei. Natürlich, er brauchte nur das zu tun, was Washington befohlen hatte – reiten. Schon oft, sehr oft, war er auf Washingtons Befehl geritten. Durch Sonnenglut war er gesprengt, durch Finsternis, durch Regen, durch Staub, durch Graupel, durch Kugelhagel. Er und sein Pferd hatten einer Verlängerung von George Washingtons Wille und Stimme geglichen.
Aber diesmal ging es um etwas anderes …
Eine Touristenfamilie des Jahres 1974 zog an der Stel le vorbei, wo er, der Geist, noch stand. Sie schleppte Picknickkörbe. Die Eltern schlürften im Vorübergehen Erfrischungsgetränke aus Flaschen. Ein junger Bube nagte an seiner Zuckerstange. Ein etwas kleineres Mädchen mampfte Kartoffelchips, die es mit automatenhafter Regelmäßigkeit aus einer durchsichtigen Cellophantüte schaufelte und in den rundum von Krumen verklebten Mund schob. Ein noch kleinerer Junge lutschte an einem Schnuller. »Laßt uns hier essen«, sagte die Mutter und deutete mit ihrer Flasche. »Wir können die Sachen auf diesen großen Steinen auspacken.«
Die Stelle, wohin sie wies, war der Begräbnisplatz der Gefallenen von den Schanzen 9 und 10; die Gräber waren nicht länger nur Haufen frischer Erde. Im Jahre 1974 waren sie mit flachen breiten Steinen gekennzeichnet. Die Frau, ihr Ehepartner und ihr Nachwuchs waren für den revolutionären Colonel unsichtbar …
Statt dessen ruhte sein Blick auf seinem Pferd, das einige Meter von Washingtons Zelt entfernt angekoppelt stand und nun ein erwartungsvolles Auge rollte. Das Tier wußte, es würde bald wieder gebraucht, und scharrte mit den Hufen die Erde auf, um seinem Unwillen über die zeitweilige Untätigkeit Luft zu machen. Ein halbes Dutzend Schritte, das Heben eines Fußes, ein Sprung, Knie und Zügel dahin, wo sie hingehörten – und Mann und Tier würden wieder eins sein, und diese Einheit setzte sich in Bewegung. Machte sich auf den Weg. En route. »Zum Kongreß.« Was hieß: Zu den im Kongreß vertretenen Abgeordneten der Vereinigten Staaten. Der Ort, wo die Abgeordneten der Vereinigten Staaten sich versammelten, war Philadelphia. Zweihundertundfünfzig Meilen über Land und Wasser lag Philadelphia entfernt.
Die Schritte gehen, in den Sattel springen – und los. Das sollte er nun tun. Der Colonel stand reglos. Die Grö ße der Stunde bannte ihn. Er, der nun in Eile und Bewegung sein sollte, fühlte sich zum ersten Schritt außerstande.
Dann vernahm er das Knarren von Erde unter Stiefeln, die rasch ausschritten, und wußte, daß jemand um das Zelt geeilt kam, zweifellos zum Zwecke, den General aufzusuchen. Er trat vom Eingang beiseite. Aber der Ankömmling war schneller. Der Ankömmling bog mit ungestümen Schritten um die Ecke des Zelts, und er und der Colonel prallten gegeneinander. Die beiden Männer sprudelten Entschuldigungen hervor, und dann standen sie Angesicht zu Angesicht und lachten.
Der stürmische Ankömmling war – seiner Kleidung zufolge – ein General der Kontinentalarmee. Er war groß, schlank, elegant und sichtlich stolz, aber hauptsächlich war er jung. Sehr jung. Tatsächlich war er der jüngste General, den die amerikanische Armee jemals haben soll te. Er war Lafayette.
Die Freude, die in seinem Gesicht glühte, entzog sich jeder Beschreibung. Sie war Ausdruck der
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