18 Geisterstories
der Vereinigten Staaten, den die Kongreßmitglieder für jeweils ein Jahr aus ihrer Mitte wählten, zur Zeit Mr. McKean aus Delaware. Ein Anwalt. Damit würde der Kongreß seine Rechtfertigung entgegennehmen. Er hatte die Armee mit der Kriegführung beauftragt, und nun schenkte die Armee ihm den Frieden. Fortan konnte er unbehelligt seinen Aufgaben nachgehen, nicht länger bloß eine Vereinigung von Rebellen, auf deren Häupter Belohnungen ausgesetzt waren, sondern die Gesetzgebung der amerikanischen Nation.
Was diese Gesetzgeber zu tun hatten – daran dachte der Colonel nicht, obwohl sie nun das Recht auf eigene Gedanken errungen hatten. Häufig war er Teilnehmer an Diskussionen über dies Thema gewesen, manchmal hitzigen Diskussionen, die in den Zelten und an den Lagerfeuern der Armee stattfanden. Aus der Ernsthaftigkeit, mit der er und seine Offizierskameraden ihre Ansichten über den Zweck des Krieges verkündeten, hätte man schließen können, sie alle seien Professoren der Staatskunst; besonders der junge Colonel Alexander Hamilton zeichnete sich durch eine klare Philosophie aus.
Sie hatten alle ihren Scharfsinn gemessen, ihre Gelehrsamkeit, manchmal auch die Lautstärke ihres Geschreis, bisweilen fehlte auch nicht viel zu einem Meinungsaustausch mit den Fäusten – Schlamm an den Stiefeln, Stoppeln im Gesicht, Hunger in den Gedärmen. Der Kampf gegen den Feind war der Grund ihres Daseins, und dafür hielten sie stets Blei, Pulver, Schießeisen, Klingen und Pferde bereit. Und dennoch hatten sie theoretisiert und diskutiert.
Was mochten seine Kameraden an diesem Morgen tun? fragte sich flüchtig der Colonel. Nicht reden. Dessen war er sich sicher. Da nun die Zukunft sich in die Gegenwart verwandelt hatte, bedurfte sie zur Nahrung nicht länger des Redens. Was mochten seine Kameraden wohl tun? Selbstverständlich die alltägliche Armeeroutine erledigen. Inspizieren, Befehle erteilen und empfangen, ein scharfes Auge offenhalten. Ausschließlich Routine – abgesehen davon, daß nichts, wo auch immer, jetzt Routine war oder jemals wieder sein würde. Die Revolution hatte gesiegt. Die Zukunft – ja, sie war angebrochen.
Colonel Tench Tilghman, Adjutant, Sekretär und Kurier General George Washingtons, verblieb den Morgen hindurch auf Deck des Schiffs, das ihn forttrug. Vom York gelangten sie hinaus in die Bucht. Am Nachmittag begab sich der Colonel auf Einladung des Kapitäns in die Kabine und nahm ein Mahl zu sich – etwas kaltes Fleisch, Zwieback und Brandy. Seit dem Nachmittag des Vortags hatte er nichts gegessen. Niemand in Washingtons Feldquartier hatte ans Essen gedacht.
Dann stieg er hinunter, um nach Black Damn zu schauen. Der Hengst war ruhig – oder so ruhig, wie zu sein er es vermochte, und das war nicht völlig ruhig. Auch wenn Black Damn keinen Huf rührte, erweckte er doch den Eindruck, er sei in schnellem Lauf. Selbst reglos glich er dem Bild eines Pfeils im Flug. Er war aus Bewegung geschaffen. Er grüßte den Colonel mit einem Augenrollen und seinem üblichen kameradschaftlichen Grimm. »Ja, ja, Sir«, sagte der Colonel und grunzte und brummte ein paar zur Bekräftigung ihrer Beziehung geeignete Laute. Black Damn verstand ihn. Wenn der Colonel ihn respektierte, dann respektierte er seinerseits den Colonel. Der Mann erneuerte das Heu, das Pferd rieb seinen Kopf an dem wohltätigen Arm, und beide waren gut gelaunt. »Ja, du, Sir«, sagte der Colonel, legte sich auf den großen Heuhaufen und schlief. In der vergangenen Nacht waren ihm nur drei Stunden Schlaf vergönnt gewesen.
Eine Bewegung weckte ihn, von der er augenblicklich wußte, daß sie eine
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