18 Geisterstories
gereist; das war für ihn nichts Neues. Es widerstrebte ihm allerdings, seine natürliche Umgebung mit zuviel Plötzlichkeit zu verlassen. Er verlangte ein Zeremoniell. Deshalb leistete er jedesmal gespielten Widerstand. Der Colonel achtete diese Eigenheit. Als der Kapitän sich umsah und rief: »Hilfe vonnöten, Sir?«, lautete seine Antwort: »Nicht erforderlich.« Eigenhändig führte er Black Damn an Bord und in den Stall unter Deck.
Sein Pferd mit einem Heuvorrat im Stall; General Washingtons Depesche an den Kongreß in seiner Satteltasche; er selbst auf dem Boot; das Boot in Fahrt. Der Colonel kehrte zurück auf Deck. Sie schwammen bereits mitten im Fluß.
Überall an den Ufern sah man die Reste verbrannter Schiffe, von seetüchtigen Frachtschiffen bis zu Nachen. Die Ortschaft Yorktown ähnelte einem von Geschossen zerpflügten Wirrwarr aus Mauerwerk. Die Briten hatten gebrannt und geplündert, Brunnen vergiftet und Zivilisten mißhandelt. Sie hatten Sklaven dazu verlockt, ihre Herren zu verlassen, ihnen Freiheit versprochen, aber ihr Wort nicht gehalten, sondern die Sklaven in Pferche gesperrt, wo viele von ihnen starben. Ereignisse, Bestandteile eines Krieges, dessen Ganzheit jetzt Colonel Tilghman beherbergte, nun zusammengefaßt in einem Wort – vorüber ! Cornwallis hatte kapituliert.
Der Colonel war mit dem York vertraut. Er kannte auch die Chesapeake-Bucht. Und ihm war zumute, als segele er über einen neuen Strom in eine neue Grenzenlosigkeit. Er war, so begriff er, allein mit seinem gewaltigen Wissen. Nur er wußte vom Sieg. Er brachte die Neuigkeit. En route …
Im Jahre 1974 war der Fluß in diesem Moment Schauplatz eines spontanen Motorbootrennens. Drei Enthusiasten jener Art, die die Motorbootsaison bis zum Ende des Wasserhochstands auszukosten pflegten, röhrten flußaufwärts, und noch das langsamste der Boote entwickelte eine Geschwindigkeit von fünfzig Meilen je Stunde; die Rümpfe waren nichts als Verkleidungen für die Motoren, Motoren mit der zweihundertfachen Kraft eines Black Damn. Der Kurs einer dieser brüllenden Mücken kreuzte sich mit dem des Schoners, so daß die beiden Fahrzeuge sich wechselseitig eines durch das andere passierten. Der von Gischt umschäumte Bug des Motorboots des zwanzigsten Jahrhunderts drang in den Rumpf des Schiffs im achtzehnten Jahrhundert dicht unterhalb der Füße Colonel Tilghmans ein und glitt darunter weiter durch das Geisterpferd. »Jippiii!« hatte der Mann am Steuerrad geschrien. »Jippiii …!« schrie er, als er weiterbrauste.
Colonel Tilghman kannte sich auch mit Booten aus, gewiß. Er war an Marylands Ostküste geboren, einem mit den Gezeiten vertrauten Land, dessen Bewohner seine Flüsse einhundertfünfzig Jahre lang ganz natürlich als Straßen benutzt hatten. Der Sitz seiner Familie war am Tred Avon gewesen, in der Nähe eines blühenden Welthandelshafens – Oxford. Schon als Knabe hatte er ein eigenes Boot erhalten, und man erwartete von ihm, daß er damit gut umzugehen verstand. Daher war er des Treibens auf dem Schoner sowie der Strömungen in der Luft und im Wasser, die das Tun an Bord bedingten, mit vollem Verständnis gewahr – und doch regte seine Aufmerksamkeit sich nur unterbewußt; sie verzeichnete, daß der Schoner sechs Knoten schaffte und der Kapitän anscheinend sein Handwerk beherrschte. Der gesamte Rest von des Colonels Bewußtsein richtete seine Gedanken vorwärts. Der Fluß schimmerte, denn die Sonne jenes Tages warf alle Schatten nach hinten.
Die Siegesbotschaft. Er würde die Depesche dem amerikanischen Hauptgeschäftsführer übergeben, dem Vorsitzenden im Kongreß
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