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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ver­mu­te …« Und dann er­zähl­te ich ihm, wie ich die Ge­gen­wart der Sha­ke­s­pea­re­schen Ge­stal­ten im Dun­keln zum Grei­fen na­he ge­spürt ha­be. »Aber das Gan­ze ist na­tür­lich blü­hen­der Un­sinn«, schloß ich und ver­such­te wie­der zu grin­sen.
    Dies­mal grins­te er nicht zu­rück.
    »Vor ei­ni­gen Wo­chen«, dräng­te es mich zu sa­gen, »be­ein­druck­te mich ei­ne ih­rer Ide­en, ob­wohl Sie selbst we­nig be­ein­druckt schie­nen. Ich hof­fe, Sie den­ken jetzt nicht, daß ich Ih­nen schmei­cheln will, Mr. Us­her. Ich spre­che von der Idee, daß Sie ei­ne Rein­kar­na­ti­on Wil­liam Sha­ke­s­pea­res sein könn­ten.«
    Er lach­te hoch­er­freut. »Es ist doch klar«, sag­te er dar­auf­hin, »daß Sie den Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Schau­spie­ler und ei­nem Dra­ma­ti­ker jetzt noch nicht ken­nen, Bru­ce. Sha­ke­s­pea­re, wie er sei­nen Kopf zu­rück­wirft, ro­man­tisch ein­her­stol­zie­rend, sein Schwert her­um­wir­belnd, Kör­per und Stim­me je­dem Ge­fühl an­pas­send, das man ihm ent­ge­gen­bringt? O nein! Ich ge­be zu, es ist durch­aus mög­lich, daß er den Geist ge­spielt hat – ei­ne Rol­le, die nicht mehr Ta­lent er­for­dert, als still­zu­ste­hen und wie aus dem Gra­be zu tö­nen.«
    Lä­chelnd hielt er in­ne. »Nein«, fuhr er fort, »es gibt nur ei­ne Per­son in un­se­rer Trup­pe, die man sich als Rein­kar­na­ti­on Sha­ke­s­pea­res vor­stel­len könn­te – und das ist Bil­ly Simp­son. Ja, ich mei­ne Props. Er kann zu­hö­ren und weiß, wie man mit Men­schen um­geht und sich auf sie ein­stellt. Sein Geist ist wie ei­ne Rat­ten­fal­le, in der sich die ge­rings­te Re­gung, je­der Duft und je­des Ge­räusch des Le­bens fängt. Und er hat einen schar­fen ana­ly­ti­schen Ver­stand. Oh, er weiß, daß es ihm an poe­ti­schem Ta­lent man­gelt, aber ich bin nicht si­cher, ob ei­ne Rein­kar­na­ti­on Sha­ke­s­pea­res sehr poe­tisch sein wür­de. Ich glau­be viel­mehr, daß er min­des­tens ein Dut­zend Le­ben ge­braucht hat, um ge­nü­gend Ma­te­ri­al für ei­ne der Ge­stal­ten zu­sam­men­zu­be­kom­men, der er dra­ma­ti­sche Form gab. Emp­fin­den Sie die Vor­stel­lung von ei­nem stum­men, al­ler Glo­rie ent­klei­de­ten Sha­ke­s­pea­re nicht schmerz­lich, der sein gan­zes be­schei­de­nes Le­ben da­mit ver­bringt, den nö­ti­gen Stoff für ei­ne ein­zi­ge, dann al­ler­dings ein­zig­ar­ti­ge Ex­plo­si­on zu sam­meln? Den­ken Sie doch ein­mal dar­über nach. Ich ha­be mir schon Ge­dan­ken we­gen die­ser, wie ich mei­ne, fas­zi­nie­ren­den Vor­stel­lung ge­macht. Da­bei kris­tal­li­sier­te sich ganz na­tür­lich je­nes Ge­fühl her­aus, das mich im­mer be­fällt, wenn ich Bil­ly Simp­son hin­ter sei­nem Re­qui­si­ten­tisch be­ob­ach­te. Und dann hat Props ge­nau das hoch­stir­ni­ge Poe­ten-Leh­rer-Ge­sicht, das so sehr je­nem Ge­sicht Sha­ke­s­pea­res gleicht, wie wir es aus den post­hu­men Gra­phi­ken, Holz­schnit­ten und Por­träts ken­nen. Warum auch nicht – so­gar ih­re In­itia­len sind iden­tisch. Ein höchst son­der­ba­res und un­heim­li­ches Ge­fühl.«
    Dann stell­te mir der Prin­zi­pal ei­ne drit­te Fra­ge: »Er hat heu­te abend ge­trun­ken, nicht wahr? Ich mei­ne Props, nicht Gu­thrie.«
    Ich ant­wor­te­te nichts, aber mein Ge­sichts­aus­druck schi­en mich ver­ra­ten zu ha­ben – zu­min­dest bei ei­nem so ver­sier­ten Ken­ner mi­mi­scher Nu­an­cen wie dem Prin­zi­pal – , denn er sag­te lä­chelnd: »Des­halb brau­chen Sie nicht be­un­ru­higt zu sein. Ich bin ihm nicht bö­se. Ich er­in­ne­re mich nur an ei­ne an­de­re Ge­le­gen­heit, bei der sich Props im Thea­ter Mut an­trank, und da­für bin ich ihm noch heu­te dank­bar.« In sein schma­les Ge­sicht trat ein nach­denk­li­cher Aus­druck: »Es war lan­ge vor Ih­rer Zeit, um ge­nau zu sein, es war die ers­te Sai­son, in der ich mit ei­ner ei­ge­nen Trup­pe auf­trat. Ich hat­te nicht ein­mal ge­nug Geld, um die Pla­ka­te beim Dru­cker zu be­zah­len. Es war mehr als frag­lich, ob sich der Vor­hang zur ers­ten Auf­füh­rung he­ben wür­de. Mo­na­te­lang war die Si­tua­ti­on äu­ßerst kri­tisch. Dann, mit­ten in der Sai­son, be­gann uns auch

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