18 Geisterstories
vermute …« Und dann erzählte ich ihm, wie ich die Gegenwart der Shakespeareschen Gestalten im Dunkeln zum Greifen nahe gespürt habe. »Aber das Ganze ist natürlich blühender Unsinn«, schloß ich und versuchte wieder zu grinsen.
Diesmal grinste er nicht zurück.
»Vor einigen Wochen«, drängte es mich zu sagen, »beeindruckte mich eine ihrer Ideen, obwohl Sie selbst wenig beeindruckt schienen. Ich hoffe, Sie denken jetzt nicht, daß ich Ihnen schmeicheln will, Mr. Usher. Ich spreche von der Idee, daß Sie eine Reinkarnation William Shakespeares sein könnten.«
Er lachte hocherfreut. »Es ist doch klar«, sagte er daraufhin, »daß Sie den Unterschied zwischen einem Schauspieler und einem Dramatiker jetzt noch nicht kennen, Bruce. Shakespeare, wie er seinen Kopf zurückwirft, romantisch einherstolzierend, sein Schwert herumwirbelnd, Körper und Stimme jedem Gefühl anpassend, das man ihm entgegenbringt? O nein! Ich gebe zu, es ist durchaus möglich, daß er den Geist gespielt hat – eine Rolle, die nicht mehr Talent erfordert, als stillzustehen und wie aus dem Grabe zu tönen.«
Lächelnd hielt er inne. »Nein«, fuhr er fort, »es gibt nur eine Person in unserer Truppe, die man sich als Reinkarnation Shakespeares vorstellen könnte – und das ist Billy Simpson. Ja, ich meine Props. Er kann zuhören und weiß, wie man mit Menschen umgeht und sich auf sie einstellt. Sein Geist ist wie eine Rattenfalle, in der sich die geringste Regung, jeder Duft und jedes Geräusch des Lebens fängt. Und er hat einen scharfen analytischen Verstand. Oh, er weiß, daß es ihm an poetischem Talent mangelt, aber ich bin nicht sicher, ob eine Reinkarnation Shakespeares sehr poetisch sein würde. Ich glaube vielmehr, daß er mindestens ein Dutzend Leben gebraucht hat, um genügend Material für eine der Gestalten zusammenzubekommen, der er dramatische Form gab. Empfinden Sie die Vorstellung von einem stummen, aller Glorie entkleideten Shakespeare nicht schmerzlich, der sein ganzes bescheidenes Leben damit verbringt, den nötigen Stoff für eine einzige, dann allerdings einzigartige Explosion zu sammeln? Denken Sie doch einmal darüber nach. Ich habe mir schon Gedanken wegen dieser, wie ich meine, faszinierenden Vorstellung gemacht. Dabei kristallisierte sich ganz natürlich jenes Gefühl heraus, das mich immer befällt, wenn ich Billy Simpson hinter seinem Requisitentisch beobachte. Und dann hat Props genau das hochstirnige Poeten-Lehrer-Gesicht, das so sehr jenem Gesicht Shakespeares gleicht, wie wir es aus den posthumen Graphiken, Holzschnitten und Porträts kennen. Warum auch nicht – sogar ihre Initialen sind identisch. Ein höchst sonderbares und unheimliches Gefühl.«
Dann stellte mir der Prinzipal eine dritte Frage: »Er hat heute abend getrunken, nicht wahr? Ich meine Props, nicht Guthrie.«
Ich antwortete nichts, aber mein Gesichtsausdruck schien mich verraten zu haben – zumindest bei einem so versierten Kenner mimischer Nuancen wie dem Prinzipal – , denn er sagte lächelnd: »Deshalb brauchen Sie nicht beunruhigt zu sein. Ich bin ihm nicht böse. Ich erinnere mich nur an eine andere Gelegenheit, bei der sich Props im Theater Mut antrank, und dafür bin ich ihm noch heute dankbar.« In sein schmales Gesicht trat ein nachdenklicher Ausdruck: »Es war lange vor Ihrer Zeit, um genau zu sein, es war die erste Saison, in der ich mit einer eigenen Truppe auftrat. Ich hatte nicht einmal genug Geld, um die Plakate beim Drucker zu bezahlen. Es war mehr als fraglich, ob sich der Vorhang zur ersten Aufführung heben würde. Monatelang war die Situation äußerst kritisch. Dann, mitten in der Saison, begann uns auch
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