18 Geisterstories
noch das Pech zu verfolgen – zwei Nächte lang lag dichter Nebel über der Stadt, in der wir gerade spielten, die Grippe grassierte, und Harvey Wilkins Shakespeare-Company war uns zwei Wochen voraus. Als wir in der nächsten Stadt spielten, stellte sich heraus, daß der Vorverkauf sehr zäh anlief, kein Wunder, mein Name war dort unbekannt, und das Theater erfreute sich keiner großen Beliebtheit. Mir wurde klar, daß ich die Truppe ausbezahlen mußte, solange überhaupt noch etwas Geld in der Kasse war, damit meine Schauspieler nach Hause fahren konnten. In dieser Nacht erwischte ich Props beim Saufen, aber ich hatte nicht das Herz, ihm deswegen Vorwürfe zu machen – in der Tat glaubte ich nicht, daß ich damals irgend jemanden hätte tadeln können, mich selbst natürlich ausgenommen, wenn er sich an diesem Abend einen Rausch angetrunken hätte. Aber dann kamen während der Vorstellung die Schauspieler und Bühnenarbeiter, die mit uns reisten, von sich aus zu mir in die Garderobe und sagten, sie würden für weitere zwei Wochen gern ohne Gage arbeiten, wenn ich der Meinung sei, daß wir auf diese Weise unsere Verluste wieder einspielen könnten. Nun ja, ich nahm ihr Angebot selbstverständlich an. Dann bekamen wir prächtiges Wetter und fanden ein paar Orte, die nach Shakespeare geradezu hungerten. Die Dinge rückten wieder ins rechte Lot, und noch vor Ende der Spielzeit konnte ich die fälligen Gagen ausbezahlen. Später entdeckte ich, daß Props sie zu diesem Schritt überredet hatte.«
Gilbert Usher blickte mich aus feuchten Augen an, seine Lippen zuckten: »Allein hätte ich es niemals geschafft, denn meine Truppe war in dieser ersten Saison noch ziemlich unpopulär. Außerdem hatte ich die Schauspieler viel zu hart angefaßt und war unfähig gewesen, meinen Sarkasmus zu zügeln. Auch hatte ich damals noch nicht gelernt, jemanden um Hilfe zu bit ten, als ich Hilfe dringend nötig hatte. Aber Billy Simpson tat, was in seiner Macht stand, obwohl er dazu all seinen Mut zusammennehmen mußte. Sie wissen ja, daß er gewöhnlich recht flink mit der Zunge ist, vor allem, wenn er freundliche Zuhörer hat. Aber wenn ihm etwas Außerordentliches abverlangt wird, muß er sich offensichtlich erst Mut antrinken. Ich frage mich …«
Seine Stimme verstummte, er stellte sich vor den Spiegel, band seine Krawatte ab und sagte brüsk: »Es ist besser, Sie ziehen sich jetzt um, Bruce. Und kümmern Sie sich bitte um Guthrie.«
Als ich die Eisenstufen zu meiner Garderobe hinaufeilte und dabei fast mit Robert Dennis zusammengestoßen wäre, schossen mir seltsame Gedanken durch den Kopf. Kaum hatte ich mich in das Kostüm des Güldenstern geworfen, als Robert zu mir kam, der den Laertes spielte und deshalb später auftrat. Wenn Hamlet auf dem Spielplan stand, brauchte er sich nicht besonders zu beeilen. Im übrigen lag uns beiden daran, so wenig Zeit wie möglich in der Garderobe zu verbringen.
Bevor ich wieder hinunterging, sah ich noch einmal nach Guthrie Boyd, den ich jedoch nicht antraf. Aber in seiner Garderobe brannte Licht, und ich konnte darin nichts bemerken, was zum Kostüm des Geistes gehörte – unmöglich, den großen Helm zu übersehen! –, und so nahm ich an, daß er schon vor mir hinuntergegangen war.
Nur noch eine halbe Stunde. Der Vorhang war noch zu, aber im Zuschauerraum brannten schon die Lichter, und auch die Bühne war jetzt heller beleuchtet. Von der Truppe war kaum jemand zu sehen. Ich entdeckte Props, der auf seinem Stuhl hinter dem Requisitentisch saß und genauso aussah wie immer – vielleicht bedeutete der Drink nur eine vorübergehende Entgleisung und nicht gleichzeitig ein alarmierendes Krisensymptom unserer Truppe.
Nach
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