18 Geisterstories
Guthrie zu suchen hielt ich für überflüssig. Wenn er sich rechtzeitig umgekleidet hat, steht er meist irgendwo in einer dunklen Ecke und wünscht nichts sehnlicher, als allein gelassen zu werden – mag sein, um noch einen Schluck zu trinken, das wird es sein, da liegt wohl der Hund begraben. Manchmal besucht er dann auch Sybil in ihrer Garderobe.
Ich bemerkte Monica, die auf einem Koffer nahe dem Schaltbrett im hinteren Teil des Bühnenraums saß, der in helles Licht getaucht war. Sie sah himmlisch zart in ihrer blonden Ophelia-Perücke aus, wie ein strahlender Frühlingstag, was ihr hellgrünes Kostüm allerliebst betonte. Ich erinnerte mich meines frohgemuten Versprechens dem Prinzipal gegenüber, beugte mich zu ihr herunter und fragte sie in aller Offenheit, was es mit dem Ouija-Brett nun wirklich auf sich habe.
Ehrlich gesagt, ich war hocherfreut, daß es neben dem Theaterspielen noch etwas gab, worüber ich mit ihr sprechen konnte, ohne ihr auf die Nerven zu gehen.
Sie war sehr aufgeregt und zugleich seltsam geistesabwesend, ihr Blick irrte unruhig hin und her und verlor sich in der Ferne, um gleich darauf wieder ganz nah zu sein. Meine Fragen brachten sie nicht aus der Fassung, in Wirklichkeit schienen sie ihr ganz willkommen zu sein; andererseits mochte sie mir nicht verraten, warum sie der letzte Name auf dem Brett so erschreckt hatte. Sie sei in einen tranceartigen Zustand verfallen, während sie das Brett befragte, und dann hätte sie plötzlich laut aufgeschrien, ohne richtig zu begreifen, was sie nun eigentlich so entsetzt habe. Was dann geschehen sei, wisse sie nicht mehr.
»Eines weiß ich aber sicher, Bruce: Ich werde das Brett nie mehr zu Rate ziehen.«
»Das klingt sehr vernünftig«, sagte ich etwas zurückhaltend, damit sie nicht merkte, wie sehr mich das freute. Inzwischen hatte sie auch aufgehört, mit ihren Blicken das Dunkel zu durchbohren, als könnte jeden Augenblick eine Gestalt daraus auftauchen, die nicht in das Stück gehörte und hinter der Bühne nichts zu suchen hatte.
»Vielen Dank«, sagte sie, ihre Hand auf die meine legend, »daß Sie so schnell gekommen sind. Ich weiß, ich habe mich idiotisch benommen.« Ich war gerade im Begriff, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und ihr zu gestehen, daß ich in meiner Verliebtheit einzig und allein ihretwegen so schnell herbeigeeilt sei, aber in diesem Augenblick kamen Joe Rubens und der Prinzipal, der bereits das ›Hamlet‹-Schwarz angelegt hatte, um mir mitzuteilen, daß man weder Guthrie Boyd noch sein Kostüm irgendwo im Theater habe finden können.
Joe hatte von Sybil die Telefonnummern von Guthries Kindern erfahren und versuchte sie jetzt anzurufen. Bei der ersten Nummer, die er wählte, meldete sich niemand, aber bei der zweiten hatte er mehr Glück. Eine weibliche Stimme, wahrscheinlich eines der Enkelkinder, teilte ihm mit, daß alle zu Guthrie Boyd in Hamlet gegangen seien.
Da Joe bereits seine schwere Panzerrüstung für den Marcellus trug, wußte ich, daß der Prinzipal mich ausersehen hatte. Also rannte ich die Treppe hinauf, setzte meinen Hut auf, zog meinen Mantel an, warf einen flüchtigen Blick auf meine Armbanduhr und verließ das Theater, vorbei an Robert Dennis, der den wahren Grund meiner Mission durchschaute und mir riet, es zuerst in den schäbigen Bars zu versuchen. Auf meinem Weg durch die in der Nähe des Theaters gelegenen Bars tröstete mich der Gedanke, daß niemand einen Blick auf mein eigenes Kostüm werfen würde, wenn ich den besoffenen Geist von Hamlets Vater tatsächlich finden sollte. Kurz vor Beginn der Vorstellung kam ich ins Theater zurück. Ich war weder Guthrie noch irgendeiner Menschenseele begegnet, die den großen Mann gesehen hätte,
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