18 Geisterstories
und warf dann mit den Zähnen knirschend den Beutel dem Grafen vor die Füße. Der Mammon da, schrie sie, hätte mich und meine arme Schwester glücklich gemacht, aber jetzt nach dem Mittagsmahle, das du uns gegeben hast, will ich lieber die Rinde der Bäume nagen, als von deiner vermaledeiten Hand diesen Reichtum nehmen. – So fuhr sie fort und war sinnreich und erfinderisch in Flüchen, die sie aussprach, und in Qualen und Unglücksfällen, die sie ihm und seinem Hause verkündigte. Als sie geendigt hatte, ging sie wankend die steinerne Treppe wieder hinunter, und alles Gesinde floh vor ihr wie vor einem Gespenst.
Von diesem Augenblicke war der Graf ein verwandelter Mann. Seine Kraft war gebrochen. Er lebte seitdem wie ein Träumender, der keinen Willen hat oder einen Entschluß fassen kann. Seine Umgebung konnte nicht erfahren, ob es ihn tief erschütterte, als seine Gemahlin in der Mitternacht nach diesem verhängnisvollen Tage starb. Selten hörte man ihn von jetzt an sprechen oder einen Laut, selbst Seufzer oder Klagen ausstoßen. Er kümmerte sich um nichts mehr, und es schien ihm gleichgültig, als die Regierung sein größtes Gut einzog, um ihn als Rebellen und Übeltäter zu bestrafen. In dieser Stimmung seines Gemütes gab er sich ganz in die Hände jener Priester, die er vorher so auffallend vermieden hat te; er besuchte die Kirche fleißig und betete mit Inbrunst. Er sah sich nicht um, wenn die andern hinter ihm herriefen: Da kriecht der alte Bösewicht, der Landesverräter, der Mörder und Rebell wieder in das Gotteshaus hinein! So benutzten denn einige Verwandte seinen Blödsinn, um ihm in einem Prozeß ein zweites großes Gut zu entreißen, und es hatte fast den Anschein, als wenn seinem einzigen Erben, einem schönen Knaben, nichts von den großen Besitzungen seiner Vorfahren übrigbleiben würde, wenn sich nicht ein verständiger Vormund des Kindes mit aller Kraft angenommen hätte.
Soweit, beschloß Theodor seinen Bericht, hat uns Freund Blomberg vorher die Geschichte vorgetragen, als er von Gesprächen, und später durch Ihre Ankunft, Graf Blinden, unterbrochen wurde.
Man hatte unterdessen Erfrischungen umhergegeben, und der Alte sagte: Wollen wir die Fortsetzung nicht doch auf morgen versparen? Die Wirtin stimmte am lautesten diesem Vorschlage bei, indem sie ausrief: Mir ist es lieber, denn da noch die Rede von Gespenstern sein soll, so brauche ich mich wenigstens heut nicht mehr zu fürchten.
Man trennte sich, und Theodor und Anselm bestiegen ihre Pferde, um noch in der Nacht in verschiedenen Richtungen nach ihrer Heimat zu kehren.
Am folgenden Tage war die schöne Sidonie wirklich angelangt. So wie ihr Charakter sich immer zeigte, blieb sie sich auch hier getreu, denn sie sagte ihren älteren Verwandten keine Entschuldigung darüber, weshalb sie nicht früher erschienen sei; man nahm nur aus ihren Erzählungen ab, daß Launen und Eigensinn sie unterwegs länger aufgehalten hatten. Diese zufälligen Mitteilungen mußten der ehemalige Vormund sowie die Tante für Rechtfertigung ihres Betragens gelten lassen.
Es ist eine ausgemachte Sache, fing der Freiherr Blomberg nach Tische an, daß wir auf Reisen eigentlich niemals wissen können, wohin wir geraten werden. Es sind nicht immer die Pferde allein, welche keine Vernunft annehmen, sondern Postillone, ja Postmeister sind zuweilen noch schlimmer, des Wetters, der verdorbenen Wege und zerbrochenen Räder gar nicht einmal zu gedenken. Und wie es Unglück gibt, so oft auch im Elend selbst ein unbegreifliches Glück. Es ist noch nicht so lange her, daß ein Vetter von mir mit seiner jungen Frau und einem kleinen Kinde drüben auf meinem kleinen Gute ankam,
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