18 Geisterstories
peinliche Anklage auf Mord und Hochverrat, indem der Graf sich durch Willkür und Anführung einer bewaffne ten Schar, der Regierung als Rebell gegenübergestellt habe. Fast bewußtlos ließ er diese unsinnigen Briefe fallen, sammelte sich dann mit Gewalt und ging nach seinem Zimmer, um nach einiger Zeit diese Anklage ruhiger zu überlesen und zu bedenken, wie er sich ihr entgegenstel len solle. Indem er vor dem Schlafzimmer seiner Gemahlin vorbeiging, hörte er drinnen reden und ihm unbekannte Stimmen. Hastig öffnete er die Tür, und was er jetzt erblickte, darauf war er freilich nicht vorbereitet. Zwei schmutzige, in Lumpen gekleidete alte Zigeunerinnen saßen an dem Bett der Kranken, und prophezeiten dieser ihr Schicksal, indem sie widerlich ihre häßlichen Gesichter verzerrten. Mit Recht entsetzte sich die Wöchnerin, als sie ihren Gemahl eintreten sah, denn was er jetzt tat, war unmenschlich. Wut ergriff ihn, und er wußte nicht, was er tat. Bei den greisen langen Haaren faßte er die Prophetinnen, riß sie zur Tür und warf sie die hohe steile Treppe hinab. Seine Leute liefen zusammen. Diesen befahl er, sie unten an der steinernen Säule festzubinden, ihnen den Rücken zu entblößen und sie so lange und so heftig mit Peitschen zu züchtigen, bis den Dienern seiner Grausamkeit die Kräfte entwichen. So geschah es. Er hatte sich in sein Zimmer eingeschlossen, und als er zu sich kam, erstarrte er selbst über sich, zu welcher Unmenschlichkeit er sich habe hinreißen lassen. Durch ein lautes Pochen an der Tür wurde er aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Er öffnete, und mit allen Zeichen der Angst trat ein Diener herein, welcher sagte: O mein gnädiger Graf, ich fürchtete, Sie seien krank, wohl gar tot, denn ich klopfe schon lange, und Sie müssen mich nicht gehört haben. – Was willst du? – Die älteste, antwortete der Diener, von den garstigen Hexen will Sie durchaus auf eine Minute sprechen, bevor sie das Schloß verläßt. Sie läßt sich durchaus nicht abweisen, und die härtesten Drohungen und Flüche fruchten bei dem alten Weibe nichts. – So ließ der Graf denn die Gemißhandelte in sein Zimmer heraufsteigen. Der Anblick der Armen war zum Entsetzen: der Graf selbst schauderte zurück. Ganz mit Blut beronnen, Gesicht und Arme zerschlagen, eine tiefe Wunde am Kopfe, die man noch nicht verbunden hatte: so trat sie vor ihn. Ich danke dir, so fing sie an zu sprechen, mein gütiger Bruder, für deine christliche Freundlichkeit, die ich in deinem Schlosse genossen habe. Ja wohl bist du ein tugendhafter Mann, ein Verfolger des Lasters, ein unparteiischer Richter und Bestrafer der Un taten. Nicht wahr, ein Racheengel im Dienst deines Got tes? Ist es dir denn bekannt, weichherziger Mensch, weshalb wir am Bette deines Weibes saßen? Ja, wir hatten ihr gewahrsagt, aber eigentlich wollten wir dich sprechen, und du warst nicht in deinem gastlichen Hause. Wir hatten den Wunsch, uns von der Bande zu trennen, und ein bescheidenes ehrliches Unterkommen zu suchen. Wir kennen den Schlupfwinkel, wo sich der Haupt-Anführer versteckt hält, jener so weit berüchtigte Mordbrenner, den du so lange vergeblich gesucht hast: den wollten wir dir verraten. Aber du bist ärger, als der Verruchteste in unserer Bande, und da du uns so viele Liebe heute bewiesen hast, so wird auch dafür der Fluch auf dich und deine Familie fallen, und auf deine Nachkommen bis in das dritte und vierte Glied hinab! –
Der Graf, der schon längst seinen Jähzorn und seine Übereilung bereute, wollte die furchtbare Alte besänftigen, er sprach ihr gütlich zu und reichte ihr, um sie zu versöhnen, seine Börse, die mit Gold angefüllt war. Einen giftigen Blick tat die Alte wie gierig auf das Gold,
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