18 Geisterstories
Menschen. Die Pferde waren ganz matt, und nach meiner träumerischen Rechnung mochten wir dem Abend nahe sein. Der junge Postillon war abgestiegen, um an den Strängen etwas zu knüpfen, die beim deutschen Fuhrwesen immerdar schlecht und in Unordnung sind. Als ich mich zu ihm hinbeugte, um mit ihm zu sprechen und etwas Tröstliches zu erfahren, sah ich zu meinem Schrecken, daß der Bursche ganz unverhohlen weinte, und endlich gar laut schluchzte. Was ist dir? – Ach! gnädiger Herr, lautete seine Antwort, mit den Pferden, und auch mit uns, ist es völlig aus. Wir sind schon stundenlang auf keinem gebahnten Wege mehr. Es hat mich einer behext, ich weiß nicht, wo wir sind. Ich bin in die Wildewahl hineingeraten. So nannte er, nach seiner Bauernsprache, unsre Verirrung.
Aber was anfangen? – Wenn uns der Heiland nicht durch ein Wunder errettet, so müssen wir hier umkommen. – Mut gefaßt, Kleiner! heut früh warst du so dreist und lustig. – Ja, damals war ich noch nicht verhext. – Wir können hier aber nicht bis zum Frühling halten. – Ach Gott! wir müssen hier umkommen. Und die heißen Tränen rollten wieder in den Schnee.
Ich sah, daß der Bursche alle Fassung verloren hatte. Zum Glück hatte ich noch einen Rest von süßem Wein bei mir, womit ich den schon ganz Verzweifelnden stärkte, und so setzte er sich, etwas ermutigt, auf den Bock, um auf gut Glück oder schlimm Unglück weiterzufahren, indem die Dämmerung, und bald darauf auch die Finsternis, wirklich hereinbrach.
Ich war jetzt weniger betäubt. Mit der größten Anstrengung horchte ich umher, ob der Laut eines Menschen, das Bellen eines Hundes mein Ohr träfe. Aber alles war still wie die tote Mitternacht. Fast mußte ich sorgen, daß die Pferde, die immer häufiger stolperten, ohnmächtig niedersinken möchten. Ich sprach, so gut es sich bei dem Getöse des Windes tun ließ, mit meinem Fuhrmann, damit er nicht einschliefe, oder von neuem in sein trostloses Weinen verfiele. Meine Situation war in der Tat keine beneidenswerte, und in stumpfer Resignation war ich so tief gesunken, daß ich schon auf den andern Morgen zu hoffen begann, obgleich ich es wußte, daß die Nacht nur seit kurzem begonnen hatte.
Eine Art von Schimmer verbreitete in der schwarzen Nacht der fallende und liegende Schnee; dieses Aufdämmern diente aber mehr, Augen und Sinne zu verwirren, als zu irgendeinem Sehen zu verhelfen.
Endlich, so bildete ich mir ein, hörte ich etwas, wie aus weiter Ferne: es schien auch etwas Dunkles, Festes sich in die Luft hinein zu erstrecken. So war es auch, denn wir gerieten nun wieder in einen Wald. Immer eine Art von Gewinn, wenn wir die Nacht doch einmal im Freien zubringen sollten. Jene Leute, die auch wohl nur eingebildet waren, ließen sich nun aber nicht mehr vernehmen.
Nachdem wir eine Weile noch fortgestolpert waren, zeigte sich wirklich ein Lichtlein ganz, ganz ferne. Ich wollte erst meinen Augen nicht trauen, aber der Postillon entdeckte es ebenfalls. – – –
Hier wurde der Erzähler unterbrochen, denn Anselm, so wie Theodor, die eben vom Pferde gestiegen waren, traten ein. Theodor wurde rot vor Freude, als er die schöne Sidonie erblickte. Er begrüßte sie so lebhaft und leidenschaftlich, daß die Wirtin lächelte und Blinden herzutrat, um ebenfalls dem jungen Mann Willkommen zu sagen und ihm die Hand zu bieten.
Sie kommen einen Augenblick zu früh, meine werten Gäste, sagte die Baronin, denn soeben ist unser Blomberg bei der Entwicklung einer interessanten Gespenstergeschichte, die er selbst erlebt haben will.
Man setzte sich wieder, und Blomberg gab verwundert von sich: Gespenstergeschichte?
Nun ja, fiel Sidonie ein, was kann denn nur das rätselhafte ferne Licht anders sein als die erleuchtete Kammer
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