18 Geisterstories
der alten Vettel Schadenfreude zu empfinden! Sie hörte ihm ganz ruhig zu und sagte dann: Warum so böse? Wenn Ihr mir für meine Bemühung und Weisheit nicht noch etwas schenken wollt, so laßt mich ruhig gehn. Denn die Menschen können es freilich nicht gut vertragen, wenn man ihnen so ihr eigenes Inneres an das Tageslicht zieht. Was kann ich denn dafür, daß in deinem Freunde da nicht mehr und Besseres steckt? Er ist nicht mein Sohn, noch mein Zögling. – Sehn Sie, meine Freunde und Zuhörer, so wollte die Wahrsagerin ihre vorige Grobheit durch eine neue gutmachen und rechtfertigen. – Franz war auch wieder besänftigt und gab der Bettlerin einen Dukaten, indem er sagte: Pflegt Euch, Alte: wo wohnt und hauset Ihr?
Wo ich bin, antwortete sie, mein Dach wechselt so oft, daß ich nicht sagen kann, wie es aussieht: nicht selten ist es offen, und mein Kamerad der Sturmwind. Natur nennen sie’s, wo die Menschen nichts hingebaut haben. Aber ich danke und muß Euch Eure Freundlichkeit vergelten. – Mit Gewalt faßte sie schnell die widerstrebende Hand des Freundes, hielt sie zwischen den knöchernen Fingern fest und betrachtete sie lange, dann ließ sie den Arm mit einem tiefen Seufzer fallen und sagte mit einem Tone, der tiefe Trauer ausdrückte: Sohn! Sohn! Ei, du stammst aus einem bösen Blut, von schlimmen Vorfahren ein schlimmer Sproß. Aber zum Glück bist du der letzte deines Stammes, denn deine Kinder würden noch schlimmer werden. Was einmal böse angefangen hat, muß auch ein böses Ende gewinnen. Ei! Ei! und deine Physiognomie! Deine Mienen! Dein ganzes Gesicht! Ist mir doch fast zumute, als wenn ich einen Mörder vor mir sähe. Ja, ja! Du hast ein junges, schönes und vornehmes Mädchen umgebracht. Auf ihrem Sterbebette hat sie lange mit Gram und Angst gerungen. Könnt ihr denn nicht treu sein und eure Schwüre halten, ihr Bösewichter? Nicht Messer, Degen und Flinte töten und schneiden. Auch Blicke, auch süße Worte: o die verführerischen Reden und all das lügenhafte Schöntun! Nun bricht die glänzende Hülle zusammen und wird der Verwesung gegeben, die erst euer dummes Auge blendete. Schönheit! o du unglückselige Gabe des Himmels! Und auch du, Mordgesell, bist schön genug, um noch andere umzubringen. Die Flüche des Vaters verfolgen dich nun. Du magst nun hier im Walde, oder in deinen schön tapezierten Stuben sein. Meinst du nicht, fühlst du es nicht, wie sie, recht aus dem Herzen kommend, das Unglück und Elend auf dich hinwehen, wie der Sturmwind die dürren Blätter in die Tiefe des Gebirges hinstreut? Wo ist deine Ruhe, dein Glück, dein Vertrauen? Alles zerstiebt wie Flugsand in der dürren Ebene; keine Frucht kann hier Wurzel fassen.
Mit einem Male jauchzte die Wahnsinnige laut auf und lief schreiend und widerwärtig singend in den dichtesten Wald hinein. Als ich mich umsah, erschrak ich, denn mein Freund war totenbleich geworden; er zitterte so heftig, daß er sich auf einen Grashügel wie ohnmächtig niedersetzen mußte. Ich setzte mich zu ihm und suchte ihn zu trösten und zu beruhigen. Ist diese Besessene, rief er aus, von der Wahrheit begeistert? Sieht sie wirklich Vergangenheit und Zukunft? Oder sind es nur wahnsinnige Laute, die sie in tierischer Gedankenlosigkeit herausstößt? Und wenn dies ist, – sind diese zusammengewürfelten Worte nicht vielleicht die echten Orakel aller Zeiten gewesen.
Er überließ sich den Tränen und lauten Wehklagen, er rief jetzt laut in die Lüfte, was er bis dahin so sorgsam in seinem Innersten geheimnisvoll verschlossen hielt. Ja Fluch, Fluch! rief er aus, allem Talent, der Rede, der Anmut und allen Gaben, die uns ein schadenfrohes Schicksal mitteilt, um uns und andere zu verderben! Könnt’ ich nicht dem ersten ihrer freundlichen
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