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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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ver­stand, und nach ei­ni­ger Zeit, daß man sie viel­leicht er­wi­dern kön­ne. Eli­sa­beth leb­te im Hau­se ei­ner al­ten Tan­te, bei­de wa­ren nicht wohl­ha­bend, aber von gu­tem al­ten Adel. Ich setz­te mich über das Ge­schwätz und die Ver­wun­de­rung der Klein­städ­ter hin­weg, daß ich so lan­ge in die­sem un­be­deu­ten­den Or­te ver­weil­te, wo es we­der ein Thea­ter gab, um mich zu zer­streu­en, noch große, glän­zen­de As­sem­bleen oder Fes­te und Bäl­le, um mich zu be­schäf­ti­gen. Ich war so glück­lich, daß ich nur den Tag und die Stun­de ge­noß. Die Fa­mi­lie war sehr mu­si­ka­lisch, Eli­sa­beth ei­ne wah­re Vir­tuo­sin auf dem For­te­pia­no, ih­re Stim­me war ge­bil­det, voll und schön, und sie über­rasch­te mich freund­lich da­durch, daß sie mei­nen viel­leicht ein­sei­ti­gen Ge­schmack für äl­te­re Mu­sik mit mir teil­te. Wohl­laut, Kunst, freund­li­che Bli­cke der schöns­ten Au­gen, al­les be­zau­ber­te mich so, daß Wo­chen wie Ta­ge und Ta­ge wie Stun­den in die­sem poe­ti­schen Tau­mel ver­schwan­den.
    Ich sprach von der Fa­mi­lie. Auch die Tan­te war mu­si­ka­lisch und ac­com­pa­gnier­te uns auf dem In­stru­ment, wenn wir bei­de san­gen. Es tat mir ne­ben­her auch wohl, mich mei­ner Ta­len­te wie­der be­wußt zu wer­den, wel­che zu üben ich seit lan­ger Zeit ver­nach­läs­sigt hat­te.
    Ja­wohl, Ta­len­te, Lie­bens­wür­dig­keit, ge­sel­li­ge Ga­ben, Fein­heit des Be­tra­gens usw. – so fuhr Franz nach ei­ner Pau­se fort, in wel­cher er ganz in sich ver­sun­ken schi­en – die­se Ei­tel­keit, die­se Vor­zü­ge zu be­sit­zen, ha­ben von je mich und an­de­re un­glück­lich ge­macht. – Wenn ich nun von der Fa­mi­lie spre­che, so muß ich jetzt von ei­ner äl­te ren Schwes­ter Eli­sa­beths, von Er­nes­ti­ne re­den. Die El­tern mei­ner Ge­lieb­ten wa­ren schon früh ge­stor­ben. Sie hat­ten, ent­fernt von je­ner klei­nen Stadt, in ei­ner Re­si­denz ge­lebt, und, wie man es so nennt, ein großes Haus ge­macht. Dies ge­sch­ah, oh­ne ihr Ver­mö­gen zu Ra­te zu zie­hen, und so wa­ren sie schon früh ver­schul­det und ver­armt. Wo die­se Ver­wir­rung ein­reißt, wo die Not des Au­gen­blicks im­mer wie­der die Si­cher­heit von Ta­gen und Wo­chen ver­schlingt, da ha­ben die we­nigs­ten Men­schen Stär­ke und Hal­tung ge­nug, um in dem Stur­me des wie­der­keh­ren­den Wir­bel­win­des das Steu­er fest­zu­hal­ten. Und so war denn in die­sen zer­stör­ten Haus­halt die wil­des­te und re­gel­lo­ses­te Wirt­schaft ein­ge­ris­sen. Die El­tern zer­streu­ten sich nicht nur an Gast­mäh­lern, Putz und Schau­spie­len, son­dern ge­wis­ser­ma­ßen selbst an neu­en und son­der­ba­ren Un­glücks­fäl­len. Auf die­se Wei­se be­schäf­tig­te sie ih­re äl­tes­te Toch­ter Er­nes­ti­ne. Das ar­me We­sen war als drei­jäh­ri­ges Kind bei Ge­le­gen­hei­ten ei­nes wüs­ten, to­ben­den Ge­la­ges, wo nie­mand auf die Klei­ne ach­te­te, über ei­ne Fla­sche star­ken Ge­trän­kes ge­ra­ten, hat­te die be­täu­ben­de Flüs­sig­keit in sich ge­schlürft und war dann trun­ken, oh­ne es zu wis­sen, ei­ne ho­he Trep­pe hin­un­ter­ge­stürzt. Das Un­glück war kaum be­merkt wor­den, und als man es nach­her in­ne wur­de, nahm man die Sa­che leicht­sin­nig. Der Arzt, ein lus­ti­ger Freund des Hau­ses, scherz­te mehr über den Vor­fall, als daß er die rich­ti­gen Heil­mit­tel an­ge­wen­det hät­te, und so zeig­ten sich denn am Kin­de die Fol­gen bald, die es spä­ter­hin der Lieb­lo­sig­keit sei­ner El­tern mit Recht zur Last le­gen konn­te. Brust­kno­chen und Rück­grat wa­ren ver­scho­ben, so wie die Ar­me wuchs, wuchs sie im­mer mehr in die Miß­ge­stalt hin­ein. Sie war ziem­lich groß, aber um so auf­fal­len­der war ihr dop­pel­ter Hö­cker, die Ar­me wa­ren über­mä­ßig dürr, so wie die Hän­de, Fin­ger und Ar­me von ei­ner er­schre­cken­den Län­ge. Auch der hoch aus­ge­streck­te Kör­per war dürr, und das Ge­sicht vom son­der­bars­ten Aus­druck. Die klei­nen leb­haf­ten und klu­gen Au­gen konn­ten kaum un­ter der Kno­chen­wöl­bung der Stirn und der breit­ge­quetsch­ten Na­se her­vor­bli­cken, das Kinn

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