18 Geisterstories
gedacht, Musik zu treiben, jetzt warf sie sich mit Heftigkeit auf diese Kunst. Tag und Nacht übte sie, der Lehrer genügte ihr nicht, sie benutzte die Anwesenheit eines berühmten Komponisten und ward seine Schülerin. Ich begriff diese geistige wie körperliche Kraft nicht, daß sie Tag und Nacht, fast ohne Schlaf und ohne etwas zu genießen, immer nur mit unermüdlichem Eifer der Übung ihrer Kunst sich widmen konnte. Nun lernte sie den Satz, und der Meister lobte und bewunderte sie. Es währte nicht lange, so tadelte sie den Lehrer, sie meinte, sein Vortrag sei nicht feurig, nicht enthusiastisch, er in Kompositionen nicht originell und leidenschaftlich genug. Er gab sich gefangen und ihr recht. Alle Menschen, pflegte sie wohl zu sagen, liegen immerdar im halben Schlaf, sie sind fast immer wie betäubt und beinah der Pflanze ähnlich und verwandt, die auch wächst, blüht und schön ist, Geruch ausstreut und Kräfte besitzt, ohne darum zu wissen. Was müßten die Menschen vermögen, wenn sie in ihrem wachen Zustande wahrhaft wachten! – Und so gab sie sich denn auch der Philosophie hin, las medizinische, anatomische und andere Bücher, die sonst den Frauen zu gelehrt oder widerwärtig sind. Wir alle, auch ihre Bekannten, mußten sie anstaunen. Und so, lieber Franz, wird sie gewiß auch in dieser Leidenschaft der Liebe rasen und sich zugrunde richten.
Elisabeth schilderte mir nun auch wirklich alle jene Ausschweifungen, die sie begangen, als sie von unserer Verlobung gehört hatte; sie wollte erst sich und nachher die Schwester umbringen; dann wieder hatte sie gesagt, sie würde mich zu zwingen wissen, daß ich sie liebe und Elisabeth verlasse, denn sie sei verständiger und besser als jene. –
Hier, sagte Blomberg, machte Franz in seiner Erzählung eine Pause, um etwas auszuruhen, und fuhr dann so fort: – Daß diese Nachrichten mich betrübten, ist natürlich, ich fühlte ja auch, wie unklug ich gehandelt hatte, mich Ernestine so freundlich zu nähern, daß ich mich bemüht hatte, sie zu gewinnen. Etwas beruhigt war ich, als mir Elisabeth nach einigen Tagen erzählte, wie die Schwester ihr unter vielen Tränen alles abgebeten habe, was sie im Zorn gesprochen, wie sie sie beschworen, mir nichts von diesen Verirrungen mitzuteilen, und wie sie nur darum flehentlich bitte, uns nach unserm künftigen Wohnsitz begleiten zu dürfen, weil sie es nicht fasse, wie sie ohne meine und der Schwester Gesellschaft, ohne unsere Gespräche und musikalischen Übungen noch leben könne.
So wurden denn Pläne gemacht, Einrichtungen getroffen, die Tante begleitet uns und wir kamen auf der Klausenburg an, um hier, von wenigen Vertrauten umgeben, eine kleine, stille Hochzeit zu feiern, da Elisabeth von je allem Prunk und Geräusch beinah übertrieben abhold war. Ich hatte einige Zimmer und den Saal in der Klau senburg, so gut es sich tun ließ, einrichten lassen, denn der größte Teil des alten Gebäudes war schon Ruine. Elisabeth aber hatte eine poetische Vorliebe für alte Schlösser, einsame Gebirgsgegenden und die geschichtlichen oder poetischen Sagen, die sich an diese knüpfen. Nach der Hochzeit wollten wir dann das nahegelegene neue Haus am Eibensteig beziehn, und nur gelegentlich uns tage- oder stundenlang in der Klausenburg aufhalten.
Wir kommen an, das Tor wird uns aufgetan, und das erste, was uns im Hofe aus den Efeuranken, die die hohen Mauern hinaufwachsen, entgegenspringt, ist jene tolle, alte Sibylle, die du, Freund Blomberg, vor einigen Jahren hast kennengelernt. Meine Frau erschrak und ich schauderte. Gegrüßt! Gegrüßt! schrie die Alte, indem sie widerwärtig herumhüpfte, da kommt der Menschenwürger, der
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