18 Geisterstories
Grafen haben. Blödsinnig aber bin ich bis dato noch nicht, und wenn ich boshaft bin, so bin ich natürlich nicht so einfältig, die Sache einzugestehen. Oder aber, der zweite Fall, ich bin unschuldig. Und Herr Schwager, widersprechen Sie ja nicht, dann sind Sie der Gimpel, diese so ganz ungeziemenden Fragen an mich zu tun.
Ich konnte dem gespenstischen Wesen nichts antworten. Als ich in unsrer Einsamkeit jetzt gar nicht mehr meine Elisabeth beim Fortepiano beschäftigt sah, das ich eigens für sie vom Auslande hatte kommen lassen, und ich sie darüber zur Rede stellte, sagte sie klagend: Lieber, wenn ich nicht tödlichen Verdruß haben will, darf ich nicht mehr spielen. – Wieso? – Weil mir es Ernestine verboten hat. Sie sagt, in einem Hause, wo eine solche große Virtuosin wie sie selber lebe, könne sie nicht zugeben, daß irgend jemand anders auch nur einen Ton anzuschlagen wage. – Diese Anmaßung ging über alle Geduld hinaus. – Ich lief nach ihrem Zimmer hinüber und forderte sie im ironischen Tone auf, mir etwas vorzuspielen, da sie es andern schwachen Sterblichen nicht erlauben wolle, das Instrument anzurühren. Sie folgte mir laut lachend. Und es ist wahr, sie spielte mit solcher Meisterschaft, daß mein Zorn sich in Bewunderung und Entzücken verwandeln mußte. – Nun? sagte sie ganz ernst haft, als sie geendigt hatte; das kann man in seinem Hau se haben, den Genuß, nach welchem Kenner fünfzig Meilen herreisen würden; – und doch kann man sich auch mit jener Stümperei, diesem Hin- und Herklappen und Tapsen unfähiger Finger zufriedenstellen? O ihr Törichten und Aberwitzigen! Da schwatzen sie von Kunst, die Schäker, und meinen den Dunst, nur nippen können sie vom Himmelstrank, und das Wunder wird in ihren groben Händen zum Plunder und Zunder. Wenn mich nicht das Leben immerdar anekelte, wenn die Menschen mir nicht widerwärtig wären, würde ich gar nicht mehr zu lachen aufhören.
Seitdem spielte sie oft mit uns und erlaubte höchstens Elisabeth und mir, zu singen, obgleich sie behauptete, daß wir weder Schule noch Methode besäßen. So ging der Winter hin. Ich war schon arm und hatte die Aussicht vor mir, ganz zum Bettler zu werden, Elisabeth kränkel te, und mir war die Heiterkeit des Lebens verschwunden.
Es war fast eine Erleichterung unseres Daseins zu nennen, als mit dem nahenden Frühling Ernestine krank und kränker und endlich gar bettlägerig wurde. Sie ward, so wie ihre Krankheit zunahm, immer unleidlicher. Am meisten zürnte sie darüber, daß sie nicht nach der Klausenburg konnte, welche sie sehr lieb gewonnen. An einem warmen Tage ließ ich sie hinfahren, und sie kramte lange in den Gemächern, trieb sich lange zwischen den Ruinen und den Gesträuchen umher und kam uns dann viel kränker zurück, als sie uns verlassen hatte. –
Franz ruhte wieder eine geraume Zeit und fuhr dann so fort: Jetzt sah man wohl, daß die Arme nicht wieder aufkommen würde. Der Doktor meinte, er begriffe die Krankheit und den Zustand der Leidenden nicht, denn die Lebenskraft sei bei ihr so stark, daß alle jene Symptome, die sonst einen nahen Tod verkündigten, bei ihr sich nicht zeigten, und sie wahrscheinlich bald genesen würde. Aber nach einigen Tagen ließ er alle Hoffnung fahren.
Wir sahen eigentlich einer ruhigeren Zukunft entgegen. Wenn uns die Unglückliche auch dauerte, so konnten wir es uns doch nicht ableugnen, daß sie störend in unser Leben und das Glück unsrer Liebe hineingebrochen war. Wir hörten, sie liege im Sterben, und da sie beim Arzt und ihren Pflegern es sich eigens bedungen hatte, daß wir sie nicht belästigen sollten, so hatten wir uns ferngehalten. Jetzt verlangte sie plötzlich dringend, mich zu sehen, bedang sich aber dabei aus, daß die
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