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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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mu­si­ka­li­schen Übun­gen vor, so wie die Tan­te ge­kom­men war.
    Nach ei­ni­gen Be­su­chen ge­lang es mir wirk­lich, Er­nes­ti­ne freund­li­cher zu stim­men. Wenn sie mit mir al­lein war, ver­tief­ten wir uns zu­wei­len in die ernst­haf­tes­ten Ge­sprä­che, und ich muß­te ih­ren Geist wie ih­re Kennt­nis­se be­wun­dern. Ich muß­te ihr bei­stim­men, wenn sie in man­cher Stun­de von je­nen Män­nern mit Ver­ach­tung sprach, die am Wei­be ein­zig und al­lein den flüch­ti­gen und wan­del­ba­ren Reiz ach­ten und lie­ben, der mit der Ju­gend ver­schwin­det. Sie schalt auch nicht un­gern auf die Mäd­chen, die so häu­fig sich nur als Er­schei­nung ge­ben und nur als sol­che gleich­sam als Mo­de­pup­pen oder Klei­der­hal­ter ge­fal­len wol­len. Sie ent­fal­te­te oh­ne Af­fek­ta­ti­on den Reich­tum ih­res Ge­müts, ein tie­fes Ge­fühl, groß­ar­ti­ge Ge­dan­ken, so daß ich, über die­se mäch­ti­ge See­le in Be­wun­de­rung auf­ge­löst, mich kaum ih­rer ver­krüp­pel­ten Ge­stalt mehr er­in­ner­te. Sie drück­te mir freund­lich die Hand und schi­en ganz glück­lich, wenn wir ei­ne Stun­de so weg­ge­schwatzt hat­ten. Ich freu­te mich eben­falls, als ich zu be­mer­ken glaub­te, wie ih­re Freund­schaft zu mir mit je­dem Ta­ge wuchs.
    Es fiel mir als ei­ne Schwach­heit mei­ner Ge­lieb­ten auf, daß sie mit die­ser Ver­trau­lich­keit un­zu­frie­den war. Ich be­griff die­se klein­li­che Ei­fer­sucht nicht und ta­del­te sie im stil­len als zu große weib­li­che Schwä­che. Mir war es im Ge­gen­teil er­wünscht, wenn mir Er­nes­ti­ne jetzt deut­li­che Be­wei­se ih­res Wohl­wol­lens gab, wenn mein Ein­tre­ten sie er­freu­te, wenn sie ein Buch, ein Mu­sik­stück für mich zu­recht­ge­legt hat­te oder mir sag­te, wie sie sich schon auf ein Ge­spräch mit mir über einen wich­ti­gen Ge­gen­stand vor­be­rei­tet ha­be. Die­se ech­te Freund­schaft schi­en mir so wün­schens­wert, daß ich mich schon im vor­aus freu­te, wie sie in der Ehe die schöns­te Er­gän­zung der Lie­be im ge­gen­sei­ti­gen Ver­trau­en bil­den wür­de. Die Tan­te hat­te mei­ne Ver­bin­dung mit Eli­sa­beth ge­bil­ligt, die Ver­lo­bung war jetzt ge­fei­ert. Bei die­ser war Er­nes­ti­ne nicht zu­ge­gen, denn sie war an die­sem Ta­ge krank. Ich sah sie auch am fol­gen­den Ta­ge nicht, und als ich sie auf­su­chen woll­te, sag­te mei­ne Braut: Laß sie noch, Lie­ber, sie ist so au­ßer sich, daß es bes­ser ist, ih­re Lei­den schaft aus­to­ben zu las­sen. – Was ist denn be­geg­net? frag te ich er­staunt. – Son­der­bar, ant­wor­te­te Eli­sa­beth, daß du es nicht schon seit lan­gem be­merkt hast, wel­che glü­hen­de Lie­be zu dir sie er­grif­fen hat. – Ich war stumm vor Schreck und Er­stau­nen. Dies Wort er­schüt­ter­te mich um so mehr, weil ich, selt­sam ge­nug, ei­ne Lei­den­schaft in die­sem ver­stän­di­gen We­sen für ganz un­mög­lich ge­hal­ten hat­te. Als wenn die Lei­den­schaft nicht im­mer­dar ge­gen Mög­lich­keit, Wahr­heit, Na­tur und Ver­nunft an­renn­te, wenn die­se sich ihr wi­der­set­zen wol­len, wie ich es ja selbst, auf ähn­li­che Wei­se, in mei­nem ei­ge­nen Le­ben er­fah­ren hat­te.
    Ja, fuhr Eli­sa­beth fort, fast zur näm­li­chen Zeit, als du erst in un­ser Haus tra­test, be­merk­te ich die­se Hin­nei­gung zu dir. Deut­li­cher zeig­te sich ih­re Vor­lie­be, als du an­fingst, mich aus­zu­zeich­nen, als du mir freund­lich wur­dest und ich dir mein Ver­trau­en schenk­te. Lan­ge Zeit ver­barg sie ih­re Nei­gung un­ter ei­nem vor­ge­ge­be­nen Haß, ei­ne Ver­stel­lung, die mich nicht täu­schen konn­te. O Ge­lieb­ter, der Geist und die Ge­füh­le, En­thu­si­as­mus und Lei­den­schaf­ten die­ses wun­der­ba­ren We­sens sind von so un­ge­heu­rer Kraft und In­nig­keit, daß ich sie, seit ich zur Be­sin­nung kam, eben­so sehr be­wun­dern muß­te, wie ich sie fürch­te und vor ih­rer Rie­sen­stär­ke er­schre­cke. Als ich vor Jah­ren mei­nen Un­ter­richt in der Mu­sik nahm und nach dem Zeug­nis mei­nes Leh­rers ra­sche Fort­schrit­te mach­te, lach­te sie nur über mein kin­di­sches We­sen, wie sie es nann­te. Sie hat­te frü­her nicht dar­an

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