18 Geisterstories
und ich bin auch ganz nahe daran, das Petschaft entzweizubrechen.
Herr Werner! rief Hannchen, vor Schrecken blaß geworden; ein versiegelter Brief! Von einer Person, die gerade in Sie so großes Zutrauen gesetzt hatte. Vielleicht in einer wichtigen Sache. Der Sie versprochen hatten, alles genau zu besorgen.
Sie haben ganz recht, herziges Kind, erwiderte der junge Mann. Der Teufel selbst ist manchmal in einer ehrlichen Laune und reißt in eigner Person das Handgeld dem armen Sünder und Höllen-Rekruten wieder weg. So machte er es mit mir. Mit einemmal lag neben dem roten Siegel, hart an meinem Finger ein dürrer, dessen Totenkälte ich fühlte. Wie ich aufsah, stand ein abscheuliches häßliches Weib vor mir, bucklig, mit grünen Augen und verzerrten Mienen. Diese hob jetzt ihre langen dürren Arme drohend gegen mich auf und schrie: Was machst du da, mein Sohn? – Ich bin nicht Euer Sohn! rief ich in Schreck und Bosheit, was wollt Ihr von mir?
Brief aufbrechen? schrie sie wieder und faßte mich an. Ich wehrte mich und stemmte mich gegen einen Baum. Nun ward es mir deutlich, daß sie mir selber den Brief wegnehmen wollte, und sie hatte ihn schon in ihrer klapperdürren Hand. Aber ich wehrte sie gewaltig ab, und so rissen wir uns hin und her, so daß der Brief dabei zu Schaden kam, ich fühlte, wie er aufgegangen war, und mit einemmal raschelte das Blatt hinunter in die alten Ruinen der Klausenburg hinein, denn über dieser standen wir dicht und hart am Abgrund in unserer Balgerei. So wie ich mir noch das freche Weibsbild recht ausschelten will, ist sie auch schon auf und davon. Ich kann nicht begreifen, wo sie geblieben ist, so daß ich fast wie der gemeine Mann daran glauben möchte, daß dort Gespenster umgehn. Nun liegt der aufgerissene Brief da drunten, wer weiß zwischen welchem Stein, Moos und Gras; morgen früh bei Tage will ich nur gleich in das alte Schloß und nachsuchen. Finde ich ihn nicht, so muß ich alles der Sidonie bekennen, oder auch, wenn ich ihn so aufgerissen wieder antreffe.
Aber, lieber Herr Werner, Sie lesen ihn dann nicht; nicht wahr?
Gewiß nicht, Hannchen, sagte der junge Mann, Sie haben ganz recht, und ich bleibe immer nur ein unnützer Bursche. – Nun will ich also dahinten in der Waldschen ke übernachten, damit ich morgen früh genug auf den Beinen bin.
Man hörte aus dem innern Zimmer eine Klingel. Mein Vater bedarf meiner Hilfe, sagte das Mädchen: der Himmel geleite Sie, lieber Ludwig.
Schlafen Sie gesund, sagte der Bursche: ich sehe wohl, daß Sie mir niemals gut werden können. Die letzten Wor te sagte er, indem er schon in der Türe war.
Nachdenkend und von seltsamen Empfindungen bewegt, war Theodor unten am Fuße des Schlosses angelangt. In diesem Zusammenhange hatte er noch niemals die seltsame Geschichte seiner Vorfahren und Anverwandten gekannt. Seine Jugend ging noch einmal in seinem Gemüte auf, und mit Trauer und Bangen dachte er an seine Zukunft. Nun fiel ihm wieder ein, wohin er gehe und weshalb, und diese Aufgabe, welche ihm eine verehrte Geliebte zugeteilt hatte, erschien ihm lächerlich und läppisch. Vielleicht, sagte er zu sich selbst, hat sie Menschen dorthin gesendet, die mich erschrecken sollen, denn ihrem Leichtsinn und Übermute ist alles möglich. Sie will mich wohl gar dem Spott eines Anselm preisgeben, jenem Widerwärtigen, mit dem sie immer so viele Geheimnisse hat, selbst dann, wenn sie mir schmeichelt und freundlich gegen mich ist. Ich muß mich gegen alles waffnen.
Die Nacht war seltsam wechselnd. Bald hell, bald finster: die Wolken jagten sich durch den Himmel, sanken bald in die schwarzen Wälder an den hohen Bergwänden hinein, bald erhoben sich von der andern Seite neue mächtige Rauchsäulen, um als Wolken emporzuschweben. Oft trieb der
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