18 Geisterstories
eingeführt zu werden.
Theodor! rief jetzt Sidonie und erhob sich von ihrem Sitz, Sie werben um meine Gunst und um meine Hand. Ich darf es hier wohl gestehn, weil alle Welt es weiß. Sie haben mir immer eine Probe Ihres Mutes geben, Sie haben immer etwas für mich tun wollen. Sie wissen, die Sage geht, daß beim Vollmond in der Mitternacht es gefährlich sei, jene Eisenstange dort vor der Klausenburg anzuziehen, die ehemals mit der Glocke den Pförtner rief. Wir haben Vollmond, in zwei Stunden ist Mitternacht, versuchen Sie Ihr Heil, und wenn Sie morgen zurückkommen, so sollen Sie mindestens als Unterpfand jene Haarlocke empfangen, um welche Sie mich dringend gebeten haben.
Nicht mehr? sagte der junge Mann lachend; morgen in der Frühe sehn Sie mich wieder, nur beklage ich im voraus, daß ich nichts werde zu erzählen haben.
Er ging, weil die Zeit ihn drängte, denn die Ruine war fast eine Stunde entfernt. Als er das Zimmer verlassen hatte, sagte Anselm: Mich wundert’s, Blomberg, daß Sie in seiner Gegenwart diese Familiengeschichten erzählten: er ist ja durch eine Seitenlinie ein Neffe des letzten Grafen Franz, und wenn der so lange schwebende Prozeß zu seinen Gunsten entschieden, wenn jenes verlorene Dokument sich wieder finden sollte, so würde er die bedeutenden Güter erben und ein reicher Kavalier sein.
Blomberg schlug sich mit der flachen Hand heftig vor die Stirn und rief aus: O verdammte, verdammte Vergeßlichkeit! Darum wurde er auch einigemal so nachdenkend. Freilich mag ihn dieses und jenes verletzt haben, doch kommt in allen diesen Erzählungen nichts vor, was ihn beleidigen konnte. – Ja, er könnte reich werden, wenn jene dunklen Punkte sich aufklärten. Aber er wird es auch ohnedies in seiner jetzigen Stellung. Die Minister und der Fürst selbst zeigen dem jungen Mann das größte Vertrauen, und ohne Zweifel wird er es weit bringen.
Man sprach noch hin und her, und Anselm vorzüglich war in eifrigen Gesprächen mit Sidonie. Es fiel den übrigen nicht auf, weil er für eifersüchtig und für den Nebenbuhler Theodors galt. Anselm verließ das Schloß, und die übrigen begaben sich ohne Furcht zur Ruhe und in ihre einsamen Kammern, weil sie durch die letzten Gespräche wieder gehörig waren abgekühlt worden.
In jenem neuern Hause am sogenannten Eibensteige, welches Franz und seine kranke Gattin einige Zeit bewohnt hatten, hielt sich jetzt der alte Förster Matthias auf, welcher schon seit zwei Jahren an der Gicht erkrankt fast immer auf seinem Bette lag. So lange war es ungefähr, daß Theodor durch die Gunst des Erbprinzen seine Stelle als Oberjägermeister oder Vorstand aller Forsten im kleinen Lande erhalten hatte. Diesen bequemen Platz, wo das Geschäft des Alten ohne Nachteil von jungen Burschen besorgt werden konnte, hatte Theodor dem Kranken aus Wohlwollen gegeben, damit er und seine Tochter Hannchen ohne Not und Sorge leben könnten.
Hannchen war fast immer mit dem Vater beschäftigt. Bald sang sie ihm etwas, bald las sie ihm vor, dann erzählte sie ihm Geschichten oder was sie erfahren hatte, sie bereitete selbst die Speisen, die seine Krankheit notwendig machte, und zeigte ihm immerdar, um ihn zu zerstreuen, die größte Heiterkeit, wenn sie auch selbst an einem stillen Kummer litt.
Jetzt war, weil der Vater schon schlief, im andern großen Zimmer ein junger Mann bei ihr, der sie fast täglich besuchte. Eine Meile von dort war ihm durch Theodor eine einträgliche Försterstelle geworden, und früher hatte er bei Matthias, Hannchens Vater, die Jägerei erlernt.
Ich kann nicht fort, sagte er jetzt, bevor Sie mir nicht, liebes Hannchen, ein freundliches Wort gesagt haben.
Lieber Herr Werner, antwortete Hannchen, ich bin Ihre
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