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18 Geisterstories

18 Geisterstories

Titel: 18 Geisterstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kluge
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mehr oder we­ni­ger be­trun­ken, ging man aus­ein­an­der. Der di­cke Bäcker­meis­ter und der Buch­bin­der, des­sen Ge­sicht leb­haft an einen ro­ten Saf­fianein­band er­in­ner­te, hat­ten Jur­ko un­ter die Ar­me ge­faßt und brach­ten ihn so oh­ne Zwi­schen­fäl­le in sei­ne Bu­de zu­rück, ein­ge­denk des rus­si­schen Sprich­worts: Wer sei­ne Schuld be­zahlt, ver­mehrt sein Gut.
    Be­trun­ken und ver­är­gert kam der Sarg­tisch­ler nach Hau­se. »Was soll das hei­ßen?« mur­mel­te er vor sich hin. »Ist denn mein Hand­werk we­ni­ger acht­bar als je­des an­de­re? Will man es et­wa dem ei­nes Hen­kers gleich­set­zen? Wor­über ma­chen sich ei­gent­lich die­se Aus­län­der lus­tig? Bin ich in ih­ren Au­gen viel­leicht ein Hans­wurst? Ich hat te vor, sie al­le zur Ein­wei­hung mei­nes neu­en Hau­ses ein­zu­la­den und ih­nen ein üp­pi­ges Fest­mahl vor­zu­set­zen. Doch das ist jetzt vor­bei! Die­se Ket­zer kom­men mir nicht ins Haus. Ich la­de die ein, für die ich ar­bei­te: die in Chris­tus Ver­schie­de­nen!«
    »Was hast du denn, Va­ter?« frag­te die Magd, die ihm die Stie­fel aus­zog. »Du sprichst ja lau­ter wir­res Zeug. Be­kreu­zi ge dich! Die To­ten her­bei­ru­fen, welch ein grau­en­haf­ter Ein­fall!«
    »Bei Gott, ich la­de sie mor­gen zu mir ein. Ja, mei­ne Wohl­tä­ter, kommt nur, er­weist mir die Eh­re, mor­gen abend! Ich be­wir­te euch mit al­lem, was Gott gibt.« Und Adri­an warf sich auf sein Bett; er schlief so­fort ein.
    Es war noch dun­kel, als Adri­an ge­weckt wur­de. Die Kauf­manns­frau Trju­chi­na war in der Nacht ge­stor­ben; ihr Ge­schäfts­füh­rer hat­te einen rei­ten­den Bo­ten ge­sandt, um den Sarg­tisch­ler zu be­nach­rich­ti­gen. Adri­an gab ihm da­für ein sil­ber­nes Zehn­kope­ken­stück Trink­geld und zog sich ei­ligst an. Er nahm ei­ne Drosch­ke und fuhr auf den Ras­gul­jai.
    Vor dem Haus der Ver­stor­be­nen stan­den be­reits Po­li­zis­ten, und Kauf­leu­te schnüf­fel­ten her­um wie Krä­hen, die sich um ein Aas ver­sam­melt ha­ben. Die Ver­schie­de­ne lag auf ei­nem Tisch, gelb wie Wachs und von An­ge­hö­ri­gen, Nach­barn und Die­nern um­ringt. Al­le Fens­ter wa­ren ge­öff­net. Ker­zen brann­ten, und Geist­li­che la­sen Ge­be­te.
    Adri­an ging auf den Nef­fen der Trju­chi­na zu, einen jun­gen und nach der neues­ten Mo­de ge­klei­de­ten Kauf­mann, und ver­si­cher­te ihm, daß Sarg, Ker­zen, Sarg­de­cke und al­les, was da­zu­ge­hör­te, un­ver­züg­lich ge­lie­fert wer­den wür­den. Der Er­be dank­te ihm zer­streut und füg­te hin­zu, daß der Preis da­bei kei­ne Rol­le spie­le und er sel­ber sich ganz auf die Ge­wis­sen­haf­tig­keit Pro­cho­rows ver­las­se. Der Sarg­tisch­ler be­teu­er­te wie im­mer in sol­chen Fäl­len, daß er nicht mehr ver­lan­gen wer­de, als an­ge­mes­sen sei. Dann wech­sel­te er einen viel­sa­gen­den Blick mit dem Ge­schäfts­füh­rer und ging nach Hau­se, um die ent­spre­chen­den Maß­nah­men zu tref­fen.
    Den gan­zen Tag über fuhr er zwi­schen dem Ras­gul­jai und dem Ni­kits­kij-Tor hin und her. Erst am spä­ten Abend war al­les in Ord­nung ge­bracht; er entließ den Kut­scher und ging wie­der zu Fuß nach Hau­se. Vor der Him­mel­fahrts­kir­che am Ni­kits­kij-Tor wur­de er von un­se­rem Be­kann­ten Jur­ko an­ge­ru­fen. Die­ser hat­te ihn er­kannt und wünsch­te ihm ei­ne gu­te Nacht.
    Es war schon spät. Als der Sarg­tisch­ler an sein Haus kam, be­merk­te er plötz­lich, daß je­mand sei­ne Gar­ten­pfor­te öff­ne­te und hin­ter der Tür ver­schwand. Was soll das hei­ßen, dach­te er, braucht mich denn wie­der je­mand? Oder ist es ein Ein­bre­cher, viel­leicht gar ein Schür­zen­jä­ger, der bei mei­nen när­ri­schen Töch­tern ein­stei­gen will? Et­was Gu­tes ist es be­stimmt nicht! Wäh­rend er noch über­leg­te, ob er sei­nen Freund Jur­ko ru­fen soll­te, tauch­te ei­ne neue Ge­stalt auf und schi­en gleich­falls ins Haus ein­tre­ten zu wol­len. Als die­se aber den Sarg­tisch­ler her­bei­lau­fen sah, blieb sie ste­hen und nahm den drei­e­cki­gen Hut ab. Das Ge­sicht kam Adri­an be­kannt vor, doch konn­te er sich im Au­gen­blick nicht ge­nau er­in­nern, wo er es schon mal

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