18 - Orangen und Datteln
der Parsikaufmann Wikrama, und ich heiße Alam. Wir wollen zu den Anezeh-Arabern, um meinen Vater aus der Gefangenschaft derselben zu befreien.“
„Wie? Er ist Gefangener der räuberischen Anezeh? Wie konnte er, ein Bagdader Kaufmann, in die Hände dieser Leute fallen?“
„Er reiste nach Mossul, um einem Geschäftsfreund eine große Summe Geldes zu bringen, wurde aber von ihnen überfallen und ausgeraubt. Sie sind mit dieser Summe nicht zufrieden und Verlagen noch ein hohes Lösegeld. Ist dasselbe nicht zur bestimmten Zeit bezahlt, so werden sie ihn töten.“
„Du willst das Geld zu ihnen bringen?“
„Ja, aber nicht die ganze Summe, welche sie verlangt haben, denn es war mir unmöglich, dieselbe aufzubringen. Durch den Verluste, den er erlitten hat, sind wir arm geworden, denn was die Anezeh ihm abgenommen haben, war fast unser ganzes Vermögen. Ich habe geborgt, soviel ich konnte, und doch kaum die Hälfte der Summe zusammen, welche die Beduinen verlangt haben, doch hoffe ich, daß sie damit zufrieden sein werden. Sollte dies nicht der Fall sein, so wende ich mich an den berühmten Einsiedler auf dem Felsen Wahsija, von dem ich hörte, daß er große Macht über sie habe.“
„Welch eine Unvorsichtigkeit, hier von diesem Geld zu erzählen! Wie nun, wenn wir Räuber wären und euch dasselbe abforderten?“
„Ihr würdet es nicht finden, wie es die Schiiten auch nicht gefunden haben. Es ist gut versteckt. Übrigens seid ihr unsere Retter, denen ich vertrauen darf, und auf alle Fälle habe ich zwei Talasim bei mir, welche mich aus jeder Gefahr retten werden.“
„Vertraue keinem Talisman und keinem Amulett, o Jüngling! Gott allein ist der Retter. Das Gebet vermag mehr als alle Talasim der Welt.“
„Meine Talasim sind eben Gebete. Sobald ich meine rechte Hand auf die Stelle lege, an welcher sie sich befinden, ist die Rettung da. Als ich vorhin die Sonne anrief und die gefesselten Hände auf die Brust legte, an welcher meine Talasim ruhen, sandte sie euch sofort, uns zu befreien. Wo kommt ihr her, und wo wollt ihr hin, o Sihdi?“
„Wir kommen von Bagdad und wollen zu den Haddedihn-Beduinen, um deren Scheik, welcher unser Freund ist, zu besuchen. Ich werde Kara Ben Nemsi genannt, und hier ist Hadschi Halef Omar, mein Begleiter.“
„Zu den Haddedihn? So müßt ihr wohl auch nach Tekrit und über den Tigris hinüber?“
„Ja. Dann werden wir am Thartharfluß hinaufreiten.“
„Das ist ja auch unser Weg! Sihdi, erlaubst du, daß wir mit euch reiten?“
Es lag mir gar nicht viel daran, diese beiden jungen und jedenfalls unerfahrenen Menschen bei mir zu haben; sie konnten uns nichts nützen; dennoch antwortete ich:
„Wenn ihr euch in unsere Art und Weise fügt, werdet ihr uns willkommen sein. Also vorwärts nach Tekrit, damit wir keine Zeit verlieren!“
Ich setzte mein Pferd in Bewegung; er hielt sich sogleich an meine Seite und sagte:
„Du wirst es nicht bereuen, uns bei dir zu haben. Wir kommen durch Gegenden, in denen es viele Gefahren gibt. Aber meine Talismane werden uns beschützen und auch dir zugute kommen. Der eine ist ein Talisman der Sonne; ich befinde mich im Nûr esch Schems, im Licht und Schutz der Sonne, welche wir verehren, und kein Feind wird uns etwas anhaben können.“
„Sie ist ein Werk des allmächtigen Schöpfers, ohne den sie nichts wäre. Wer in seinem Licht wandelt, der steht unter dem mächtigsten Schutz, den es im Himmel und auf Erden gibt!“
Nûr el Hilal
Es war einige Tage später. Wir hatten Tekrit, diese jetzt so klein und unbedeutend gewordene Ortschaft, hinter uns, waren auf Schilfflößen über den Tigris gegangen, noch eine Strecke westlich in die Steppe hineingeritten und befanden uns nun an dem kleinen Fluß Tharthar, an dessen Ufer wir aufwärts ritten. Hier hatten wir Wasser, so viel wir brauchten, Weide die Fülle und konnten uns, falls uns eine feindliche Begegnung drohte, frei nach allen Richtungen wenden, was nicht möglich gewesen wäre, wenn wir uns am Ufer des Tigris gehalten hätten.
Und eine solche Begegnung lag keineswegs außerhalb des Bereiches der Möglichkeit. Wir hatten nämlich zu unserem Leidwesen in Tekrit erfahren, daß Feindseligkeiten zwischen den Stämmen der dortigen Beduinen ausgebrochen seien. Der erste Grund dazu war eine Räuberei der Abu Hammed gegen die Alabeïde gewesen; diese beiden Stämme hatten befreundete Abteilungen an sich gezogen und machte nun mit ihren gegenseitigen Plänkelzügen die ganze Gegend
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