1808 - Die Vorhölle
am Wagen vorbeikommen.
Das wäre nicht tragisch gewesen, aber dieses Wesen war eine bestimmte Person. Sie war mal ein normaler Mensch gewesen, das war sie jetzt nicht mehr.
Jetzt war sie ein Vampir!
***
Larissa hatte den Wald verlassen. Sie wollte sich nicht länger dort aufhalten, sie wollte dorthin, wo sie Nahrung fand – das Blut der Menschen.
Sie brauchte die Menschen nicht zu sehen, sie konnte sie riechen. Und sie wusste, wo die Menschen lebten. In den umliegenden Dörfern und kleineren Städten. Viele von ihnen gehörten zu den Urlaubsorten, in denen Menschen zu allen Jahreszeiten Ferien machten, denn der Harz war eine beliebte Region. Bis zu seinem höchsten Berg, dem Brocken, war es auch nicht weit.
In ihrem kurzen Kleid, das wie Reizwäsche aussah, sah sie völlig despektierlich aus. Man hätte über sie lachen können, aber wer ihren mit Blut verschmierten Mund sah, der lachte nicht.
Die beiden Männer im Wagen sahen sie genau. Sie ließen sie keinen Moment aus den Augen, warteten, ob sich ihre Gehrichtung ändern würde. Darauf hofften sie. Denn wenn sie weiterging, musste sie praktisch gegen den Leichenwagen laufen.
»Scheiße, die kommt auf uns zu!«
Peter nickte.
»Was tun wir?«
»Nichts.«
Paul gab ein heiseres Lachen von sich. »Und wenn sie uns angreift?«
»Warte erst mal ab.«
»Sie hat uns schon gerochen«, flüsterte Paul.
»Bist du dir sicher?«
»Klar.«
Peter nickte. »Dann sollten wir in Deckung gehen.«
Paul begriff noch nicht so schnell. Er saß nur da und starrte ins Leere.
»Ja, runter mit dir. Das ist alles. Mach dich so klein wie möglich. Sie soll dich nicht so schnell sehen, wenn überhaupt.«
»Sie wird uns erschnuppern.«
»Ja, kann sein. Aber ich will alles tun, um ihr zu entkommen. Aus dem Wagen kommen wir nicht mehr raus. Jetzt bleibt uns eben nur das Versteck.«
Paul nickte. Er hatte sich geduckt, nur Peter schaute noch über die unteren Ränder der Scheiben hinweg nach draußen. Er wollte die Blutsaugerin so lange wie möglich unter Kontrolle halten.
Sie kam immer näher. Wäre ein Fenster oder die Scheibe offen gewesen, er hätte sie hören können, so aber tauchte auch Peter weg.
Beide Männer hielten sogar den Atem an, was eigentlich nicht nötig war.
Die Untote hatte den Wagen erreicht. Das hörten sie, denn über das Fenster hinweg kratzten Nägel.
Was passierte?
Reichte ihre Macht aus, um die beiden Menschen zu wittern und das Blut in ihren Adern? Peter wusste es nicht. Paul war ebenfalls überfragt, und so warteten sie ab und atmeten auch nur so wenig Luft wie eben möglich.
Es passierte nichts.
Keine Faust schlug gegen eine Scheibe. Auch das Kratzen war nicht mehr zu hören. Diese unnatürliche Stille blieb weiterhin bestehen.
Die Zwillinge wussten nicht, was sie davon halten sollten. Sie hockten dicht beieinander, starrten sich an, es gab fragende Blicke und dann auch Funken der Hoffnung in ihren Augen.
Zeit verstrich.
Dann zuckten beide zusammen, als sie den Schlag gegen die Fahrertür mitbekamen. Sie hielten den Atem an und erwarteten jeden Augenblick das große Desaster.
Das trat nicht ein.
Es blieb bei dem einen Schlag. Danach wurde es wieder ruhig, so still, dass es beinahe beängstigend wirkte. Sie spürten die Kälte auf dem Rücken, als hätte sich dort eine Eisschicht gebildet. Irgendwann drehten sie ihre Köpfe und schauten sich an.
»Und?«, fragte Paul.
»Die Zeit ist vergangen.«
»Ja. Ob sie da draußen noch lauert?«
»Keine Ahnung.«
»Dann sieh mal nach.«
Peter musste grinsen. »Warum denn ich?«
»Weil du doch immer so mutig bist. Du hast auch bessere Nerven als ich.«
Peter gab keine Antwort mehr. Er wusste, dass es sinnlos war. Wenn sein Bruder sich mal für etwas entschieden hatte, dann blieb er auch dabei.
Er schaute aus dem Fenster. Er hatte damit gerechnet, in das Gesicht der Vampirin zu schauen, aber das war nicht so.
Sein Blick traf das Haus.
Nichts hinderte ihn. Es war alles frei. Kein Feind wartete darauf, sie zu töten.
Er hörte die Flüsterstimme seines Bruders hinter sich.
»Siehst du was?«
»Ja.«
»Und was?«
»Die Nacht.«
»Verarsch mich nicht.«
»Das habe ich auch nicht vor. Du kannst hochkommen und selbst nachschauen.«
Das tat Paul auch. Allerdings hatte er nicht mehr daran gedacht, dass sie durch die Handschellen miteinander verbunden waren. Er bewegte sich zu heftig und der harte Kunststoff schnitt regelrecht in zwei Handgelenke hinein.
Beide Brüder schrien auf. Zu
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