1812 - Der wandelnde Tod
Fehler.«
»Das habe ich verstanden. Weshalb hätte er auf eure Warnungen hören sollen?«
»Ganz einfach, dann wäre er noch am Leben. Aber er wollte ja alles genau herausfinden.«
»Und was?«
»Bist du auch neugierig?«
»Sonst würde ich solche Fragen nicht stellen.«
»Mutig.«
»Das war Simon Lecco auch.«
»Ja, das gebe ich zu.«
»Und was wollte er genau? Wozu brauchte er diesen Mut?«
»Um ein Geheimnis herauszufinden.«
»Genauer.«
Und plötzlich bekam ich auch diese Antwort. »Er wollte den Tod überlisten.«
Das war ein Schuss vor den Bug. Ich hatte Probleme, damit zurechtzukommen. Ich musste mich erst sammeln und fragte dann mit leiser Stimme: »Den Tod überlisten?«
»Ja.«
»Aha. Und du bist also der Tod?«
»Ja, ich bin unterwegs. Ich bin der Albtraum der Menschen. Ich bin das, was sie sehen, wenn sie von dem Knöchernen sprechen oder von Gevatter Hein. Ich bin der Tod, der Gestalt angenommen hat.«
»Der wandelnde Tod«, sagte ich.
»Ja.«
Es war kein Spaß. Ich spürte, dass mein Herz schneller schlug. Dieses Geständnis hatte ich nicht erwartet. Es ging mir durch und durch. Und dann fragte ich mich auch, warum sich mein Kreuz nicht meldete.
Stand er nicht wirklich auf der anderen Seite? War er der Mittler zwischen dem Diesseits und dem Jenseits? Ich spürte förmlich, dass mich die Neugierde überschwemmte. Hinter dieser Gestalt steckte ein Geheimnis, das stand für mich fest. Etwas, das Simon Lecco auch hatte herausfinden wollen, doch man hatte ihn nicht gelassen. Ich fühlte mich in diesen Augenblicken als sein Vertreter. Ich wollte wissen, was er gesucht hatte.
»Was hat er herausfinden wollen? Wirklich die Überlistung des Todes? Das kann ich nicht glauben.«
»Man kann es so nennen.«
»Und weiter?«
»Er war sehr neugierig. Er wollte nicht nur dem Tod auf die Spur kommen, was keiner kann, er wollte auch die Erscheinungen der Geister klären.«
»Wie das?«
»Er wollte mehr über die Geister wissen, und das verband er mit dem Tod. So ist das.«
Geister und Tod. Gab es da einen Zusammenhang? Bisher hatte ich nichts davon gehört, und ich konnte mir auch keinen vorstellen.
Aber diese Gestalt schien mehr zu wissen. Viel hatten wir nicht gesprochen, aber ich hatte das Gefühl, bald etwas ganz Neues zu hören. Etwas, an das ich bisher nicht gedacht hatte.
»Geister?«, fragte ich. »Warum das?«
»Er wusste nicht, ob er Geister mit Toten vergleichen kann. Er wollte wissen, wer sich meldet.«
Ich horchte auf. Eine Verbindung zwischen Geistern und Toten, das war schon was.
»Und? Hat sich jemand gemeldet?«
»Das weiß ich nicht.«
»Wieso?«
»Die andere Kraft zermalmte ihn. Sie nahm ihm das Leben. Er hat sich zu weit vorgewagt.«
»Und wer tötete ihn?«, fragte ich scharf.
»Es waren die Umstände, die ihm den Tod brachten.«
Auf diese Antwort hätte ich gut verzichten können. Ich hatte einen anderen Verdacht. Ich konnte mir gut vorstellen, dass der wandelnde Tod sein Mörder war, aber ihm das direkt ins Gesicht sagen wollte ich auch nicht. Ich musste mich diplomatischer verhalten, was ich jetzt auch tat, denn ich lächelte.
»Gut, er hat es nicht geschafft. Aber wie wäre es, wenn ich es mal probiere?«
Die Gestalt wunderte sich. »Du willst dich selbst töten?«
»Nein, das nicht. Das habe ich nicht gesagt. Ich bin nur neugierig und ich habe keinen Bock darauf, zu sterben. Aber ich möchte einen Blick in das Jenseits werfen.«
»Das bedeutet den Tod.«
»Nein, daran glaube ich nicht. Es muss einen Weg geben, einen besonderen, und du kennst ihn.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich habe nachgedacht, und ich habe mich schon mit vielen Dingen beschäftigt, die in diese Richtung führen. Ich bin bereit für das Jenseits.«
Nicht nur der wandelnde Tod hatte die Worte gehört, auch Maria Lecco. Plötzlich hatte sie nicht nur Angst um sich, sondern auch um mich.
Ich hörte sie hart atmen, dann erst konnte sie sprechen, was sie auch tat.
»Bitte, John, das heißt doch nichts. Du kannst dein Leben doch nicht so einfach wegwerfen.«
»Davon war keine Rede.«
»Aber die andere Seite ist stärker.«
»Das weiß ich noch nicht. Ich würde es gern ausprobieren. Und ich bin durch den Tod deines Bruders gewarnt. Ich werde mich anders verhalten, und ich habe auch einen guten Führer, denn wir werden sicherlich gemeinsam gehen – oder?«
»Wenn du willst …«
»Ja, ich will. Da gibt es auf der einen Seite den Tod und auf der anderen die Geister. Ich
Weitere Kostenlose Bücher