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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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»Vielleicht,« entgegnete Bernhard; »es wird aber zuverlässig die letzte Arbeit sein, die er unternimmt.«
    Ohne eine Frage weiter abzuwarten, nannte sich Ludwig und gab als Ursache seines Kriegsstandes die Neigung für denselben überhaupt an, die sein Freund mit ihm teile; als Grund, weshalb er gerade die polnische Uniform trage, nannte er seine Bekanntschaft mit Rasinski.
    »Wie dankbar bin ich Ihnen,« sprach die Gräfin, »daß die Freundschaft für meinen Bruder Sie zum Freunde der Sache unsers Vaterlandes gemacht hat. Ja, wir erwarten und hoffen viel von dem Kriege, der sich jetzt entspinnt; er wird für uns ein heiliger sein.«
    »Es ist dies eine Ursache mit,« entgegnete Ludwig, »weshalb ich in einer polnischen Heeresabteilung zu dienen wünschte, obwohl ich ein Deutscher bin; denn die Sache Polens in diesem Kampfe ist eine unbestreitbar gerechte und schöne. Als Deutscher habe ich nicht den Beruf, für den Ruhm des französischen Kaisers zu fechten; in der Lage, wo mein Vaterland, welches fast ebenso unglücklich ist als Polen, sich befindet, kann ich den Kampf nicht für dasselbe führen. Den deutschen Heeren wird nur die halb ehrenvolle Aufgabe dabei zuteil, den Ruf deutscher Tapferkeit zu erhalten; ein größeres Ziel, für welches das Blut unserer Landsleute fließen könnte» gibt es dabei nicht.« – »Ich glaube sogar,« erwiderte die Gräfin, »daß die meisten lieber besiegt zu werden als zu siegen wünschen.« – »Gewiß,« entgegnete Ludwig; »indessen würde ich mich zu diesen nicht unbedingt zählen. Deutschland bedarf einer andern Freundschaft als derjenigen, welche Rußland uns bieten würde. Die rohe Gewalt dieses Kolosses mag meinem Vaterlande ebenfalls frommen, um es den fremden Einflüssen, unter denen es jetzo seufzt, zu entreißen; aber ich fürchte fast, dieser Dienst würde uns teuer zu stehen kommen, und vielleicht hätten wir am Ende nur den Herrn gewechselt. Soll ich mich aber einem von beiden unterwerfen, so wird es mir niemand verargen, daß ich lieber einer mächtigen Geisteskraft als einer rohen äußerlichen Gewalt gehorchen will.«
    »Keine Frage,« rief Bernhard lebhaft dazwischen; »ein Mann von Ehre, der die Wahl hat zwischen dem Schwert und der Knute, wählt das erste. Wir können keine bessere Stätte finden, um uns vor Rußland warnen zu lassen, als Polens Hauptstadt, wo der Wind noch die Asche von den Feuerbränden aufstäuben kann, welche der barbarische Feind in diese Mauern schleuderte.«
    »O,« rief die Gräfin schmerzlich bewegt aus, »wir können noch die Brandwunden aufzeigen, und der Ruf des Jammers, der damals erscholl, ist noch nicht verklungen. Ich war eine junge Zeugin jenes schaudervollen Ereignisses; aber diese Bilder des Schreckens haben sich für ewig in meine Seele geprägt. Leichter wollte ich meinen Namen vergessen als jenes Gefühl ohnmächtiger Verzweiflung, welches damals mein und jedes Herz zerriß!« Nach diesen Worten stand sie in lebhafter Bewegung auf und ging rasch einigemal im Saale auf und ab. Die Männer schwiegen; endlich begann Jaromir: »Es wird nun anders werden; die Buße, welche durch die Hand der rächenden Geschichte unserm Vaterlande auferlegt ist, geht zu Ende. Ich glaube, Gräfin, die Zeit ist nahe, wo wir aus unserer babylonischen Verbannung wieder an den Herd unserer Väter zurückkehren.«
    Die Gräfin, welche noch immer auf und nieder ging, schien nur die ersten Worte Jaromirs gehört zu haben. »Es wird anders werden?« fragte sie, indem sie in edler Haltung vor Jaromir hintrat. »Es muß anders werden. Und wenn es noch tausend Jahre so fortdauerte, so würde es doch laut in meiner Brust rufen: es muß anders werden. Oder wähnt ihr, daß die Mutter, welche gebunden am Boden liegt, während Räuber ihren Säugling ermorden, an einen vergeltenden Gott nur glaubt ? Sie sieht ihn; die ungeheuere Tat muß sein rächender Arm bestrafen. Er muß , oder das Gewölbe des Himmels ist taub und leer, und niemand waltet in dem öden Nichts.« Bei diesen letzten Worten hatte sie die Hand halb drohend, halb beteuernd erhoben; ihr Auge rollte, ein edler Unwille rötete ihre Wange. Nur an dem feuchten Glanze einer Träne, die noch in ihren Wimpern hing, bemerkte man eine Spur der weichern Stimmung, aus welcher sie in diese heftige Leidenschaft geraten war. – »So oft ich's mir vorgenommen,« sprach sie nach einer Pause, indem sie das Haupt schmerzlich mißbilligend bewegte und die gehobene Hand wieder herabsinken ließ,

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