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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Rollen eines Wagens, und bald darauf traten zwei ältere Damen ein, welche die Gräfin als Freundinnen vorstellte. Die Unterhaltung wurde nun allgemein: man führte sie fast ausschließlich französisch; doch wandte sich die Gräfin, die geläufig deutsch sprach, auch oft in dieser Sprache zu Ludwig und Bernhard, weil sie dieselbe liebte, und die edle Weise, in der besonders Ludwig sich darin auszudrücken wußte, ihr ungemein wohlgefiel.

Zweites Kapitel.
    Man war auf diese Art in ein sehr lebhaftes Gespräch geraten, dem es keinen Eintrag tat, daß es sich oft in drei verschiedenen Zungen kreuzte. »Es sollte mich wundern,« sprach die Gräfin, als eine augenblickliche Pause eingetreten war, »wenn der Oberst ausbliebe, da er sonst nicht leicht einen Abend bei mir zu versäumen pflegt. Zwar weiß ich sehr wohl, daß hier im Hause ihn niemand fesselt; allein er trifft nicht selten einen Liebling hier, und auch heute wird es der Fall sein, wiewohl ihm anfangs diese Überraschung nicht zugedacht war.«
    »Und wen meinen Sie,« fragte Bernhard mit einer gewandten Wendung; »wen könnten Sie noch erwarten, der geeigneter wäre, einen Mann an dieses Haus zu fesseln, als diese bereits versammelten Damen?«
    »Das bleibt, hoffentlich aber nur noch ganz kurze Zeit, mein Geheimnis, bis ich durch die Tat antworten kann. Aber wahrlich, ich kann es schon«, rief die Gräfin, nach der Tür blickend, und eilte der jungen Dame, welche eben eintrat, entgegen. »O wie gütig,« redete sie die Kommende an, »daß Sie meiner späten Einladung ein so freundliches Ja gesagt haben. Aber Ihre Töne lockten mich so süß, unwiderstehlich, daß ich nicht umhin konnte, die unbescheidene Bitte zu wagen.«
    »Müssen Sie mich denn immer beschämen?« entgegnete Françoise Alisette, denn sie war die eben Eingetretene, mit dem anmutigsten Klang der Stimme, indem sie sich neigte, um wie mit kindlicher Aufmerksamkeit, zugleich aber auch mit Ehrfurcht vor dem hohen Rang der reichen Gräfin, die Hand derselben zu küssen. Die Gräfin hinderte es jedoch und küßte das anmutige Mädchen recht herzlich auf die frischen Lippen. »Sie wissen es nur gar zu gut,« sprach diese, »daß es mich über alles glücklich macht, wenn ich einen Abend bei Ihnen zubringen kann.«
    In dem Wesen dieses Mädchens lag eine ganz eigene Mischung von Zärtlichkeit und Schalkhaftigkeit; man wußte kaum, ob sie es ernstlich meinte, oder ob sie Spott mit der Gräfin trieb. Indessen, mochte auch das letztere der Fall sein, man hätte es ihr doch vergeben müssen, weil es mit einer so liebenswürdigen Anmut geschah, daß an ein Erzürnen gar nicht zu denken war. An der Hand der Gräfin näherte sich Françoise jetzt der Gesellschaft, grüßte mit Freundlichkeit, als ob sie mit allen bekannt wäre, rings im Kreise herum und nahm dann zwischen Jaromir und Bernhard Platz. Sie begann sogleich ein munteres Gespräch, auf welches Bernhard mit Leichtigkeit einging; Jaromir schien sich weniger um die anmutige Nachbarin zu kümmern, sondern setzte seine vertraute Unterhaltung mit Lodoiska fort. Alisette war bald munter, bald weich; mit einer unglaublichen Schnelligkeit ging sie aus einer Stimmung in die entfernteste, entgegengesetzte über, ohne daß dabei irgendeine Absichtlichkeit oder Gewaltsamkeit zu bemerken gewesen wäre. Ihre Züge bildeten, sei es nun aus Gewohnheit der Schauspielkunst, oder aus natürlicher Anlage, stets den getreuesten Spiegel ihrer Empfindungen oder vielmehr ihrer Äußerungen. Dadurch gewann sie einen ganz eigenen, schwer beschreiblichen Reiz; ihr Gesicht glich in gewisser Hinsicht dem eines Kindes im zartesten Alter, wo sich auch die leisesten Regungen der Freude und der Schmerzen sogleich auf das bestimmteste ausprägen. Nichts aber kam ihrem Entzücken gleich, als sie hörte, daß Bernhard in England und Schottland gewesen sei. »Ach,« rief sie aus, »so finde ich doch endlich jemand, mit dem ich von dem Lande reden kann, wo ich meine schönsten Tage verlebte; freilich aber auch meine traurigsten«, setzte sie plötzlich betrübt hinzu. Bei den ersten Worten glänzte ihr Angesicht so heiter wie der Frühlingshimmel, und ihre lächelnden Lippen zeigten die blendendste Perlenschnur kleiner Zähne; mit dem Zusatz aber schien es, als falle ein Wolkenschatten auf die freie, heitere Stirn, und fast glaubte man den Blick durch eine Träne getrübt zu sehen.
    »Ihre freudigsten und Ihre betrübtesten Tage zugleich verlebten Sie dort?« fragte Bernhard. »Ich

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