Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
Vom Netzwerk:
lägen, die für das Vaterland gefochten haben. Ach, wann wird diese Erde endlich die Saat der Freiheit blühen sehen, welche unsere Väter hier mit ihrem Blute düngten! Seht ihr das Dorf hier gerade vor uns? Das ist Wielka Wola, wo Kosciuszko im Jahre 1794 focht; hier links hinüber, hinter dem Fichtenwalde, seht ihr den spitzen Turm von Opalin und weiter unten den Wawryscew. An beiden Orten floß polnisches Blut in demselben Jahre, und bei Opalin blieb mein Oheim, Kasimir Graf Brescinski! O Freunde, hier liegt mancher begraben, der blutiger Tränen wert ist! Ich wollte aber, wir wären mit Sonnenaufgang hierher gekommen; denn es will mir nichts Gutes bedeuten, daß ich die Türme meiner Vaterstadt im Golde der Abendsonne leuchten sehe!« Hier schüttelte er schwermütig das Haupt, und ein Zug edeln Grams umwölkte seine so offene heitere Stirn.
    »Du bist ein schlechter Wahrsager,« rief Bernhard frisch aus; »ich will dir unsere Ankunft anders deuten. Siehst du nicht dein Vaterland im Frühling wieder, wo alles keimt und sproßt und blüht? Dringen nicht selbst aus den Gräbern Blumen herauf, und wogten nicht alle Fruchtgärten, an denen wir heute vorüberfuhren, wie ein Meer von Blüten, wenn der leise Frühlingswind durch die Wipfel wehte? Wahrlich, sie standen geschmückt wie Bräute, mit zartem, grünem Blätterkranz unter leichtem Blütenschleier verhüllt. Für den Herbst weissage ich euch reife Früchte; dann werdet ihr eine Ernte halten und ein Erntefest begehen, daß Freude und Jubel durch das ganze Land erschallen soll!«
    »Du bist ein Prophet,« rief Jaromir feurig aus und schloß Bernhard mit einem brennenden Kuß auf seine Stirn heftig in die Arme; »wenn dein Wort in Erfüllung geht, so mag immerhin die fröhliche Lust über meinem Grabe erschallen, wenn ich nur weiß, daß ich in freier, glücklicher, polnischer Erde ruhe!«
    Unter diesem Gespräch waren die Jünglinge den Hügel hinabgegangen und schritten jetzt auf einem anmutigen Pfade zwischen reichen Wiesen dahin, während Jaromir fortfuhr, auf geschichtlich merkwürdige Orte in der nächsten Umgebung aufmerksam zu machen und zugleich die Ereignisse zu berichten, durch welche der polnische Name sich dort verewigt hatte. Ludwig hörte diesem Gespräch nur zu, nahm aber den wärmsten Anteil daran, während er im stillen dieselben Wünsche für sein deutsches Vaterland hegte, welche Jaromir so laut und feurig für Polen ausgesprochen hatte. Nach einer guten halben Stunde erreichten sie die große Straße wieder, stiegen ein und fuhren nunmehr rasch auf die Tore der Hauptstadt zu.
    Hinter Wielka Wola wurde die Landschaft durch Spaziergänger, Reiter und Wagen aus der Stadt lebendig. Jaromir sah mit seinen blitzenden schwarzen Augen scharf umher, ob er nicht Bekannte oder Freunde entdecken könne. Indessen schien ihm das Glück in dieser Hinsicht nicht wohl zu wollen. Etwas verdrießlich rief er aus: »Es ist wahr, in acht Jahren wird man fremd in seinem eigenen Vaterlande; es scheint, ich kenne hier niemand mehr und werde noch weniger gekannt!« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als eine weibliche Stimme aus einem ihnen nach und dicht vorbeifahrenden Wagen die Worte rief: »Graf Jaromir! ist's möglich? Sind Sie es, oder täusche ich mich?« Jaromir hatte sich schon auf den Klang der Stimme lebhaft umgewendet und rief jetzt, fast vergessend, daß er sich auf öffentlicher Landstraße und in fremder Begleitung befand, feurig aus: »Gräfin Micielska! O Gott im Himmel, Sie erkennen mich noch?«
    Die Kutscher hielten beide ohne weitern Befehl an, da sie sahen, daß ein Gespräch zwischen Jaromir und der Dame angeknüpft wurde. Die Gräfin war eine Frau von hohem, majestätischem Wuchs; sie mochte über dreißig Jahre alt sein; aber ihr schwarzes Auge glänzte noch jugendlich unter der blendend weißen hohen Stirn, die von reichem, dunkelm Haar umwallt wurde. In ihrer Jugend mußte sie hinreißend schön gewesen sein. Bernhard mit seinem geübten Malerauge hatte sie sogleich für die Schwester Rasinskis erkannt, noch bevor Jaromir sie als solche mit seinen Begleitern bekannt gemacht hatte. Er übergab ihr einen offenen Brief Rasinskis, welcher in wenigen Worten sein Verhältnis zu den Freunden angab und sie der Schwester zur gastlichen Aufnahme empfahl. »Wie erfreut bin ich,« sprach die Gräfin, als sie hastig gelesen, mit Wärme, »daß ich Sie hier gleich bei Ihrer Ankunft treffe! Es versteht sich, daß Sie bei mir wohnen; Ihre Zeit wird,

Weitere Kostenlose Bücher