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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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läßt.«
    »Tiefere Wunden, süßerer Trost; das ist alles mit einem Wort gesagt«, antwortete Bernhard kurz, bestimmt, aber nicht ohne eine leise Schattierung wehmütigen Ausdrucks.
    Die Gräfin und Françoise hatten mit Anteil zugehört. »Wie seltsam ist es doch,« sprach die letztere, »daß man oft etwas ganz genau gekannt und empfunden hat, ohne es eigentlich zu wissen; wie oft habe ich das alles gefühlt, und doch wird es mir erst jetzt so klar! Wie beneide ich die Männer, welche ihre Gedanken und Gefühle so auszusprechen wissen! Und Sie haben beide recht,« wandte sie sich zu Bernhard und Ludwig, »obgleich Sie verschiedener Meinung zu sein scheinen.«
    Das ernste Gespräch hätte sich wohl noch eine Zeitlang fortgesetzt, wenn nicht der Oberst dazwischengetreten wäre, um sich mit Artigkeit zu Alisetten zu wenden und ihr nach geselligem Gebrauch einiges Verbindliche über ihren Gesang zu sagen. »Sie haben uns gerührt, ich möchte fast behaupten, zu sehr erweicht,« sprach er; »allein ich weiß, daß Sie innerlich über uns lächeln, weil Sie sich der Zaubermacht wohl bewußt sind, mit der Sie ebenso leicht die Heiterkeit zurückführen und aufs neue flattern lassen, als Sie ihr jetzt die mutwilligen Flügel gebunden haben. Wir wissen alle, daß Sie nicht nur ein Proteus sind, der sich selbst, sondern auch eine Circe, die andere nach Belieben verwandelt. Allein was hälfe es, gegen die Macht der holden Zauberin unwillig zu murren? Sie würde nur desto loser ihre Willkür üben; es bleibt uns daher nichts übrig, als daß wir uns aufs Bitten legen. Das tue ich denn, schöne übermütige Gebieterin! Wie wäre es, wenn Sie die dunkelfarbigen Nachtvögel, welche Ihr Klagelied herbeigelockt hat, verscheuchten und einige bunte Tagschmetterlinge flattern ließen, die sich mit ihren farbigen Flügeln so reizend im Sonnenstrahl wiegen?«
    Alisette sah ihn mit einem anmutigen, fast schalkhaften Lächeln an und sprach ein ungemein wohllautendes »Gern, sehr gern!« Fast in demselben Augenblick » 129 begann sie auch schon das Vorspiel zu einem fröhlichen Liedchen, welches sie mit so hellen frischen Tönen anstimmte, daß man eine wirbelnde Lerche zu hören glaubte, die sich am schönsten Frühlingsmorgen über die betaute Saat in den blauen Äther aufschwingt; und diese Morgenfrische verbreitete sich in jeder Brust, selbst die ernste Lodoiska ließ ein Lächeln um ihre Lippen spielen.
    Sowie Françoise geschlossen hatte, sprang sie munter auf und eilte auf Lodoiska zu, welche in der Ecke des Sofas saß. »Nun, liebe Gräfin,« bat sie, »müssen Sie uns ein Lied singen; Ihre kleinen polnischen Nationallieder sind gar zu reizend, sowenig ich auch von den Worten verstehe.« – »O nein, nein,« entgegnete Lodoiska sanft abwehrend, »wie sollte ich meine traurigen Gesänge, meine bebende Stimme nach diesen lieblichen Tönen vernehmen lassen.«
    »O, sie lautet so süß, so rührend! Oder glauben Sie, ich hätte Sie nicht belauscht, wenn Sie bisweilen spät in die Nacht in Ihrem Zimmer diese eigentümlichen Lieder unbefangen für sich gesungen haben?« Lodoiska errötete mit Lieblichkeit. »Ja,« fuhr Alisette fort, indem sie Lodoiskas Hand mit einer bittenden Bewegung ergriff, »die Nacht und offene Fenster sind oft Verräterinnen der süßesten Geheimnisse. Das kleine Lied,« hier summte sie die Melodie, welche den Anfang desselben bildete, »möchte ich Sie auch einmal singen sehen, da ich es nun schon zwei Nächte hintereinander gehört habe.«
    Lodoiska glühte wie eine dunkle Rose, denn, ohne es zu wissen, hatte Françoise sie sehr in Verlegenheit gesetzt, da die Worte des Liedes denjenigen, die des Polnischen kundig waren, in der Tat Herzensgeheimnisse zu verraten scheinen mußten. »Das Lied,« sprach sie, »ist eine Erinnerung aus früher Kindheit, wo ich es oft von meiner Mutter hörte; ganz zufällig habe ich es zwei Abende hintereinander, wo mich die Nachtigall hier gegenüber wach erhielt, gesungen.«
    »So singen Sie es auch den dritten,« erwiderte Françoise; »bitte, bitte!« Dabei schmeichelte sie so anmutig, daß Lodoiska sehr dringende Gründe hätte haben müssen, um ihr eine abschlägige Antwort zu erteilen. Sie würde dieselbe freilich gern gegeben haben, doch fühlte sie jetzt, daß es besser sei, sich willig zu zeigen, als den Worten des Liedes durch Weigern statt der zufälligen Beziehung eine wirkliche zu geben, zumal da sie annehmen durfte, daß Jaromir und die Gräfin es wahrscheinlich

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