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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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sprach er halblaut zu Alisetten, welche ihm durch einen munter zutraulichen Blick antwortete. Die Türen des glänzend erleuchteten Speisesaals öffneten sich, man ging hinein.

Viertes Kapitel.
    Gegen Mitternacht zogen sich die jugendlichen Kriegsgenossen erst auf die ihnen angewiesenen Zimmer zurück. Es waren deren drei, welche auf einem Korridor lagen; die Fenster gingen nach dem Garten hinaus. Bei dieser Anordnung waren die Freunde beisammen und getrennt, je nachdem es ihnen behagte; jeder bewohnte ein eigenes Gemach, doch ein Schritt führte ihn in das des Nachbars. Jaromir wünschte den andern beiden eine gute Nacht; er schien müde zu sein. Bernhard und Ludwig blieben in des erstern Zimmer, wo sie durch das Ludwigs von dem, in welchem Jaromir schlief, getrennt waren, noch eine Zeitlang beisammen, und sprachen über die wunderbare Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, die plötzlich eine so völlig andere Wendung genommen hatten. Es war dies eigentlich die erste vertraute Stunde, welche sie seit ihrer Abreise von Dresden miteinander zubrachten; denn sie hatten den Weg aus vielen Gründen so eilig zurücklegen müssen, daß, zumal in der Gegenwart des noch weniger von ihnen gekannten Jaromir, zu einem ruhigen, Mitteilung gestattenden Verweilen keine Zeit geblieben war.
    »Es soll mich wundern,« sprach Bernhard, »was Fortuna uns noch für Glückszüge mit ihrem Netze tun lassen wird. Ich meinesteils habe ihr als stattlicher Graf Lomond die Tür möglichst weit aufgesperrt, während du als Ludwig Soren nur auf ein paar Angelfischchen an deinem kläglichen Hamen[? Haken ?] zu hoffen hast. Ich dagegen fische mit dem breiten Netz der Grafenkrone und darf erwarten, daß an ihren neun Spitzen etwas von Belang hängenbleiben werde. Ja, hier in Polen fange ich schon an, es zu bereuen, daß ich mir nicht einen Fürstenhut aufgestülpt habe, denn in der langen echten Perlenschnur polnischer Magnaten hätte sich eine unechte, schottische Perle wohl verloren. Nun, wer weiß, was geschieht!«
    »Ich beneide dich um deine glückliche Laune,« erwiderte Ludwig; »allein soviel Mühe ich mir gebe, mein Schicksal von einer guten Seite zu betrachten, es will mir nicht gelingen. Ich denke, ich werde demselben mit Ernst und mit Fassung entgegentreten; aber es liegt vor mir wie ein dürrer, schroffer Fels, auf dem ich nicht Raum zu so viel fruchtbarer Erde erblicke, um eine einzige arme Blüte darauf zu ziehen.«
    »Es wird eine Hand kommen,« antwortete Bernhard, »die wie Moses gegen den Stein schlägt, daß ein reicher, frischer Quell daraus hervorsprudelt. Bisweilen habe ich meine Stunden, wo mir ein unsichtbarer Dreifuß der Pythia untergeschoben wird, und die Weisheit des delphischen Gottes aus mir redet. Jetzt eben glaube ich auf dem begeisternden Sessel recht behaglich zu sitzen, und es zieht eine ganze Laterna magica der rosenfarbensten Bilder unserer Zukunft vor mir vorüber. Ich sehe gar nicht ein, weshalb wir nicht im ersten Gefechte den Offiziershut verdienen, im zweiten uns auf den Rittmeistersattel schwingen, im dritten ein paar Majorsepauletten erbeuten sollten. Hat der russische Kaiser nur zwei oder drei tapfere Generale, so weiß ich nicht, weshalb der Krieg nicht mindestens sieben Jahre dauern sollte, und das ist eine hinlängliche Zeit, um einen Marschallstab, mit einer Fürstenkrone darauf, reif werden zu lassen, gegen die ich meinen unechten schottischen Adelsbrief nicht unvorteilhaft austauschen würde. Und sollte der Name Fürst von Petersburg, oder Herzog von Archangel, oder gar, falls ich den rechten Flügel der Armee kommandierte, Prinz von Astrachan nicht so gut klingen als Prinz von Pontecorvo, Herzog von Albufera oder Dalmatien? Mir deucht, stattlich genug würde es lauten, wenn ich mich nur Herzog von Kamtschatka, oder Fürst von der Lena titulierte und einen Mammutsknochen in mein Wappen aufnähme.«
    »Du willst den Feldzug etwas weit ausdehnen,« erwiderte Ludwig lächelnd, »indessen bleibe ich dabei, du bist zu beneiden, daß dir auf einem so schwarzen Hintergrunde der Zukunft so heitere Bilder erscheinen.«
    »Das ist ein Malertalent,« rief Bernhard, »und ich habe es viel geübt; stelle ich mich vor einen recht schwarzen Gewitterhimmel, so sehe ich in den drohend getürmten Wolken, in ihren kühnen Bogen und schwefeligen Auszackungen die wunderbarsten Zauberpaläste und Gebirge. Aber du scheinst mir müde; laß uns daher versuchen, ob das Lager bei der Juno, die uns aufgenommen hat, ihrem

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