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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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der Schimmer des Abendrots seine silbernen Locken umfloß, einem Heiligen ähnlich sah. Dolgorow trat vor ihn hin und sprach mit erzwungener Ruhe: »Seid vernünftig, Gregor, fügt euch meinen Wünschen. Erinnert euch, daß ihr noch manches von mir zu bitten habt. Euer Wunsch, die Kirche neu auszuschmücken, soll nicht nur gewährt, er soll weit übertroffen werden. Ich will sie von Grund aus prächtig neu aufbauen, das Muttergottesbild –«
    »Wollt ihr den Herrn des Himmels bestechen?« entgegnete Gregor lächelnd. »O Herr Graf, schon dreißig Jahre wohne ich unter euerer Herrschaft auf diesem Gute, und noch kennt ihr mich so wenig. Euer Vater –«
    »Es ist genug«, unterbrach ihn Dolgorow finster. »Ich hoffte mit Güte zum Ziele zu kommen, euer Eigensinn treibt mich zur Gewalt. Wohl denn, ihr mögt euern Willen haben, und Feodorowna mag versuchen, ob sie die Macht hat, dem Vater zu widerstreben, der ihre Vermählung unwiderruflich beschlossen hat.«
    »Die Wahl ihres Gatten hängt von euch ab,« erwiderte Gregor; »doch frei ist ihr Wille, wenn sie Jungfrau bleiben und den klösterlichen Schleier nehmen will, denn sie ist eine Freigeborene, nicht euere Leibeigene.«
    »Sie ist –« fuhr der Graf, durch Gregors unerschütterliche Ruhe noch mehr erbittert, wild auf, hielt aber plötzlich wieder inne, da eben die Tür sich öffnete und die Gräfin eintrat. »Wir reden Morgen weiter davon«, sprach er schnell, doch leise, und ging seiner Gemahlin entgegen. Mit der Gewandtheit des Hofmanns wußte er jede Leidenschaft seiner Brust durch heiteres, wohlwollendes Angesicht zu verhüllen. Auf die ungezwungenste Weise redete er die Gräfin an: »Nun, Liebe, seien Sie willkommen in diesen wohlbekannten Hallen. Ich denke, die mancherlei Sorgen, welche uns auch jetzt bewegen, sollen es doch nicht hindern, daß wir auf einige Tage recht heimisch hier werden, denn länger wird mich und unsern Gast die Pflicht hier nicht verweilen lassen.« – »Ich hoffe es gleichfalls,« entgegnete die Gräfin, »obwohl mein Herz der Zukunft nicht fröhlich entgegenschlägt. Denn was werden die nächsten Monden, die sonst nur das Schöne bringen, Furchtbares für unser Vaterland gebären!«
    »Dafür, hoffe ich, wird der Winter, der sonst so rauh und streng in diesem Lande erscheint, diesmal ein gütiger Beschirmer desselben werden. Die Schrecken, welche über Rußland hereinzubrechen drohen, sehen furchtbarer aus, als sie sind; der Feind weiß nicht, hinter welchen Wällen und Mauern dieses Reich sieben Monate lang jedem Angriffe zu trotzen vermag. Wir werden vielleicht die Ernte eines Jahres und einen zehnjährigen Nachwuchs unserer unermeßlichen Wälder aufzuopfern haben; mehr befürchte ich nicht. Lassen wir dem Feinde diesen Boden auf einen Sommer, er wird ihn uns dafür im nächsten mit seinem Blute gedüngt, desto fruchtbarer zurückgeben. In Schlachten mag der große Welteroberer unbesiegbar sein; laßt sehen, ob er auch auf Feldern von Sand und Asche Ernten halten, ob er seine Krieger unter freiem Himmel gegen den nordischen Herbst, des Winters nicht zu gedenken, beschützen kann. Er muß, während wir sprechen, über den Niemen gegangen sein; es ist sein Rubikon; Cäsars Scheinglück nahm ein trauriges Ende. Nicht wahr, würdiger Vater,« wandte er sich zu Gregor, »auch ihr habt Hoffnung, daß Rußland siegreich aus diesem Kampfe hervorgehen wird?«
    »Die Kraft seines Volks und die Gnade seines Gottes werden es erhalten«, erwiderte der Geistliche. »Wenn alle Gemeinden so handeln gegen diese blutigen Zerstörer unserer Heiligtümer, wie ich es von der mir anvertrauten Schar erwarten darf, so würden die Heerscharen des Xerxes nicht hinreichen, unser Vaterland zu unterjochen.«
    Fürst Ochalskoi trat, in die Uniform seines Regiments gekleidet, in den Saal. Dolgorow begrüßte ihn, ging ihm entgegen und zog ihn sogleich ins Gespräch. »Es ist mir lieb,« fuhr er sodann fort, »daß ihr schon selbsttätig zu wirken gesucht habt, Vater Gregor; denn eine Hauptursache, weshalb ich auf die Güter komme, ist die, desfalls Rücksprache mit euch zu nehmen und euch den Willen des Kaisers in dieser Beziehung zu verkünden. Es ist zu Petersburg im großen Kriegsrate beschlossen worden, daß wir dem Feinde den Schein des Sieges lange lassen werden, um die Gewißheit desselben um so zuverlässiger für uns zu gewinnen. Unsere Heere werden ihm nur da Widerstand leisten, wo er jeden Vorteil mit ungeheuern Aufopferungen erkaufen muß;

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