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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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ihr Herz: es wartet ja selbst eine Unglückliche auf Milderung ihrer Leiden durch mich; ich will sie freundlich an dieses Herz nehmen; was sie auch quäle und bedränge, von mir soll sie die Liebe erfahren, nach der ich mich so vergeblich sehne. Mit diesem Gedanken ging sie hinüber auf ihr Gemach, um Axiniens Klagen zu hören.
    Als sie, denn ihr schwebender Schritt war kaum zu hören, unvermutet die Tür ihres Zimmers öffnete, sah sie das Mädchen im inbrünstigen Gebet vor einem Marienbilde knien, welches in einer Nische an der gegenüberstehenden Wand aufgestellt war. Um sie nicht zu stören, blieb Feodorowna an der Schwelle stehen. Axinia kniete so, daß nur ihr Halbprofil zu sehen war. Dieses wurde aber durch das Rosenlicht, welches durch die Fenster zur Seite fiel, zauberisch beleuchtet. Sie hatte die weißen Arme sanft gehoben und hielt die Hände gefaltet; das Haupt war zu der himmlischen Helferin emporgewandt. In zwei zierlich geflochtenen Zöpfen hing das reiche braune Haar ihr über den Nacken herunter. Leise zog Feodorowna die Tür nach sich und schwebte einige Schritte vorwärts, so daß sie nun das Gesicht des Mädchens fast ganz von der Seite sehen konnte. Da erst bemerkte sie die kalten, starren Tränen, die der Armen auf der bleichen Wange hingen, die selbst das rosige Licht des Abends, das sie umfloß, nicht fröhlich röten wollte. Ihr Busen hob sich von leisen, tiefen Seufzern, die Lippen bewegten sich wie flüsternd im Gebet; das Auge hing so unverwandt an dem Antlitz der himmlischen Mutter, ihre Seele war so ganz in dem heißen Flehen aufgegangen, daß sie die Kommende noch nicht bemerkte, als diese schon ganz nahe stand. Erst als sie sanft zu ihr sprach: »Axinia, du betest?« fuhr sie erschreckt empor, stand zitternd vor der gütigen Gebieterin und wollte sich demütig niederbeugen, um ihre Hand zu küssen. »Nein, nein, nicht so,« sprach Feodorowna, nahm sie liebevoll in die Arme und blickte sie mit unbeschreiblicher Güte an; »sei wieder die alte, vertraute Gespielin. Schütte mir dein ganzes Herz aus, du Arme, denn ich sehe, du hast tiefen Kummer!«
    »Ach, ihr werdet mich verstoßen, werdet mich verachten«, rief das Mädchen, wand sich los und rang verzweiflungsvoll die Hände.
    »Axinia, was ist dir, sprich, entdecke dich«, fragte Feodorowna ahnungsvoll schauernd.
    »Nein, nein, ich vermag es nicht«, rief die Unglückliche, und bedeckte ihr glühendes Antlitz mit beiden Händen; die Beklemmung drohte ihr den Atem zu rauben. Was bedurfte es noch der Worte! Jeder Zug des in Angst, Scham und Jammer vergehenden Mädchens sprach zu deutlich. »Axinia, du bist gefallen? Du?« sprach Feodorowna mit tiefstem Ausdruck des Schmerzes, aber ohne Vorwurf. Das Mädchen sank, wie zusammenbrechend, ihr zu Füßen nieder. »Tretet die Verworfene in den Staub,« rief sie wild; »ach, seid barmherzig und laßt mich nicht länger bitten!«
    Feodorowna beugte sich mitleidsvoll zu ihr nieder und versuchte sie emporzuheben. »O, du Unglückselige! Richte dich auf, fasse dich; du hast Trost bei mir gesucht, ich werde dich nicht von mir stoßen.«
    »Nein! Laßt mich zu euern Füßen liegen«, rief Axinia und drückte das Haupt verbergend in Feodorownas Gewänder, indem sie ihre Knie fest umschlang. Feodorowna legte ihr beide Hände wie segnend auf das Haupt und sprach erschüttert »Deine Schuld richtet Gott! Mein Herz, das selber menschlich fehlt, soll dich nicht verdammen; ich will mit dir weinen, will deine Qualen lindern, wenn ich's vermag. O, du warft gut, Axinia, du warst gut auch gegen mich. Du hattest ein weiches, liebendes Herz; es kann kein böses geworden sein. Ich will dich nicht von mir stoßen, da ich weiß, was das Herz der Unglücklichen sucht. Vertraue mir, richte dich auf, sei ganz offen gegen mich; dies ist der erste Schritt der Rückkehr von der Verirrung!«
    Axinia hob das Antlitz langsam empor und blickte zu Feodorowna auf. »O, ihr seid mild wie eine Heilige«, rief sie, und sanfte Tränen entströmten ihren Augen. Sie bedeckte die hilfreich dargebotene Hand mit Küssen und ließ sich von der gütigen Gebieterin emporheben, denn ihre bebenden Knie versagten ihr fast den Dienst. Feodorowna leitete sie an ihr Ruhebett und setzte sich zu ihr nieder.
    Lange dauerte es, bis die Wallung in Axiniens Brust es ihr gestattete, das Bekenntnis ihrer Verirrung abzulegen. Der Graf hatte einen jungen Deutschen, namens Paul, als Gärtner in seinen Diensten, den er sehr begünstigte. Dieser hegte

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