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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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verfolgt haben«, unterbrach der Graf ihn streng, ohne jedoch sich näher auszulassen. Der neugierige Verwalter versuchte sein Heil noch einmal und bemerkte mit ängstlichem Ausdruck: »Man war hier bereits sehr bestürzt–«
    Doch der Graf, der es nicht liebte, mit seinen Dienern zu schwatzen, wandte sich ohne Antwort ab und zu dem Geistlichen: »Ich werde eures Beistandes bedürfen, Gregor, um meine Untertanen mutig und vertrauensvoll zu erhalten, zumal wenn man ihnen durch die Verbreitung törichter Gerüchte unnütze Besorgnisse einflößt,« Der Verwalter zog sich scheu auf die Seite, froh, seinen Vorwitz nicht strenger bestraft zu sehen.
    Gregor erwiderte auf die Worte des Grafen: »Ich werde die Herzen des Volks entflammen für den Glauben ihrer Väter, für den alten Thron ihrer Zaren, für das Heiligtum des Vaterlandes.«
    »Ihr werdet wohltun,« erwiderte der Graf; »doch mehr als die Liebe vermag der Haß, darum sähe ich es lieber, wenn ihr ihre Seele mit unversöhnlichem Grimm gegen die Feinde erfüllen wolltet. Schildert sie ihnen als Räuber, die nur heranziehen, um unsere Felder zu zerstören, unsere Dörfer und Städte mit Feuer zu verwüsten, die Herden wegzuführen, Weiber und Töchter zu mißhandeln und die Männer zu ermorden.«
    »Möchten sie dies alles, möchten sie noch gräßlichere Verbrechen verüben wollen,« erwiderte Gregor, »es wäre darum doch meine Priesterpflicht, Versöhnung und Milde gegen sie zu lehren; aber sie kommen als Feinde Gottes, als Zerstörer unserer Tempel, und diesen Frevel müssen wir rächen; die andern Güter, diese vergänglichen Zierden des Lebens, dürfen wir nur verteidigen.«
    Eine Falte auf des Grafen Stirn zeigte, daß er mit der Antwort des Geistlichen unzufrieden war. Doch er schwieg, denn er wußte, daß er leichter einen Felsen als Gregors gläubige Festigkeit und Strenge erschüttert haben würde.
    Indessen hatte man das Schloßtor erreicht, und der Graf trat in seine Besitzung ein, während die Landleute draußen zurückblieben. Nur Gregor begleitete ihn auf einen Wink die Stiege hinauf. »Erwartet uns im Speisesaal, frommer Vater,« sprach er zu ihm; »sobald wir die Reisekleider abgelegt haben, werden wir euch dort aufsuchen. Ich selbst werde in wenigen Minuten wieder bei euch sein, um eine Angelegenheit, die mir wichtig ist, mit euch zu besprechen.« Mit diesen Worten verschwand er in der Tür, welche zu seinen Wohnzimmern führte; die Frauen begaben sich gleichfalls auf ihre Gemächer, um sich umzukleiden; der Fremde wurde in die zur Aufnahme der Gäste bestimmten Zimmer geführt.
    Gregor trat in den Saal ein, woselbst der Graf ihn geheißen hatte seiner zu warten. Länger als zwei Jahre war es her, daß er diese Räume des Schlosses nicht betreten hatte. Der Saal, in welchem er sich befand, war in einem altertümlichen, seltsam gemischten Stile erbaut. Vier hohe gotische Bogenfenster sahen auf die Landschaft nach dem Strome hinaus, so daß der glühend gefärbte Abendhimmel seinen goldenen Widerschein in die gewölbte Halle warf. Die Wände waren mit Säulen von schwarzem Marmor geziert; zwischen diesen hingen lebensgroße, in altertümliche Rahmen gefaßte Bilder der Vorfahren der gräflichen Familie. Die Täfelung des Fußbodens war von Holz; ebenso die Paneelwerke, nach dem Geschmack aus den Zeiten Ludwigs XIV., mit goldenen Leisten geziert. Zwei altertümliche Kronleuchter hingen von der Wölbung der Decke herab; rings an den Wänden standen große, doppelarmige Kandelaber. Das Ganze zeugte von Pracht und Reichtum, hatte aber doch einen düstern, fast schauerlichen Anstrich, der es bewirkte, daß sogar die Landschaft und der Himmel, wie beide in den gotischen Rahmen der Bogenfenster sich darstellten, einen herbstlich traurigen Charakter gewannen, obwohl man sich im Juni, dem eigentlichen Frühlingsmonat dieser Gegenden, befand.
    Gregor nahm auf einem der altertümlichen Lehnsessel, welche im Saal standen, Platz; er überließ sich seinen ernsten, trüben Gedanken. Vierundsiebzig Jahre habe ich gelebt, dachte er, und mein Wirken war fromm und friedlich; denn keine bösartige Gewalt bedrohte die Heiligtümer, die meiner Obhut anvertraut waren. Und jetzt, in den späten Herbsttagen des Lebens, wo mein Pfad schon dicht am Rande der Gruft hinführt, jetzt muß ich noch die Palme des Friedens, die der Hand des greisen Mannes soviel schöner steht, mit dem Schwerte der Rache vertauschen! Allein wie der Allmächtige will. Sein ist der segnende Tau,

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