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1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

1812 - Ein historischer Roman (German Edition)

Titel: 1812 - Ein historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludwig Rellstab
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Sonnenaufgang, oder doch die Herbstlandschaft zu seiner Frühlingslandschaft.«
    Man war im Gespräch an einen Scheideweg gekommen; links zog sich die Masse den Hügel hinab in das freiere Feld nach Liozna zu, rechts bog sie in den Wald ein, nach Babinowiczi und Orsza. Rasinski schlug den letztern Weg ein, fand es aber, da er das Terrain vor sich nicht mehr übersehen konnte, nötig, eine Vorhut und Seitenpatrouillen einzurichten. Jaromir erhielt den Befehl über die erste, Boleslaw wurde mit der Verteilung und Beaufsichtigung der letztern beauftragt. Ludwig und Bernhard blieben in Rasinskis Nähe, indem er sich ihrer als Ordonnanzen bediente, um Befehle an die detachierten Trupps zu senden. Man marschierte indes bis zum Abend, ohne auf den Feind zu stoßen. Die Nacht biwakierte man teils in, teils neben einem elenden Dorfe, welches von seinen Einwohnern ganz verlassen war. Mit der Morgendämmerung rückte das Regiment wieder aus und marschierte auf Rasasna zu, wo die Armee den Übergang über den Dnjepr machen wollte.
    Der Kaiser war bereits mit dem Davoustschen Korps eingetroffen; die Brücken bei Rasasna, welche schnell in dauernden Stand gesetzt worden waren, wimmelten schon von Truppen, die in langen schwarzen Massen hinüberzogen. Auch Rasinski schloß sich denselben an und bezog sein Lager jenseit des Flusses über Rasasna hinaus, wo auch das Zelt des Kaisers aufgeschlagen wurde. Ein litauischer Jude, der für Geld der Spion Rasinskis geworden war, unternahm es gegen eine gute Belohnung, noch einige Stunden weiter vorwärts zu gehen, um auszukundschaften, ob der Feind von der Annäherung der Armee unterrichtet sei, und vielleicht Truppenmassen entgegenstellte.
    Gegen drei Uhr morgens, als es noch völlig dunkel war, kehrte der Spion zurück. Bernhard war eben erwacht und hatte das Feuer geschürt, als die seltsame Gestalt des Israeliten, der sich leise heranschlich – denn scheue Vorsicht war ihm schon zur andern Natur geworden – im Widerschein der Flammen sichtbar wurde. Wie ein hämischer Zauberer erschien er dem betroffenen Bernhard, als er so plötzlich aus der dunkeln Nacht in den hellen Umkreis des Feuers trat. Ein schwarzer Talar, den in der Mitte ein lederner Gürtel zusammenhielt, hüllte die Gestalt ein; der rote Spitzbart reichte bis über die Brust hinab, das schmale bleiche Gesicht guckte lauernd aus der Masse des verworrenen Haares hervor, und die grauen Augen blinzelten listig, aber auch zugleich boshaft, aus ihren Höhlen heraus. Ein widriges Lächeln verzog seine Lippen, als er Bernhard in seiner jüdischen Mundart anredete: »Junger Herr! Sagt mir doch geschwind, wo der Herr Oberst schläft! Ich hab' ihn notwendig zu sprechen, hört ihr, junger Herr?« – »Der Kerl sieht aus, als ob sich der Teufel in einen Fuchs verwandelt hätte«, murmelte Bernhard. »Haben sie dich nicht gehängt, Isaak?« fragte er den Juden.
    »Vater Abraham, was tut ihr für Fragen, junger Herr? Wird der alte Isaak so lange gelebt haben, um nicht zu wissen, wie man einer Hanfschlinge ausweicht? Aber führt mich geschwind zu dem Herrn Obersten, es hat Eile!«
    »Komm, Sohn Abrahams, setze deine Sohlen auf die Spuren meiner Füße, so wirst du dahin gelangen, wo du den findest, dessen Gold du suchst. Vorwärts.« Mit diesen des Juden Weise parodierenden Worten ging Bernhard voran und führte den alten Schlaukopf zwischen die Gruppen der an den Feuern gelagerten Krieger hindurch bis an die Stelle, wo Rasinski, in den Mantel gehüllt, auf einer Schütte Stroh schlief. Sein leises aufmerksames Ohr bewirkte, daß er bei der Annäherung der Schritte sich sogleich aufrichtete und scharf umhersah. »Bist du's, Freund Isaak?« rief er schnell ermuntert die Kommenden an. »Nun? Gibt's etwas Neues von Belang?« Der Jude winkte mit geheimnisvollen Mienen und zog ihn beiseite. Bernhard wollte sich entfernen, doch Rasinski hieß ihn bleiben. Indessen sprach er lange heimlich mit dem Juden, und hörte, wie es schien, mit sehr gespannter Teilnahme den Bericht desselben an. Die Züge des Spions wurden immer bedeutsamer; jenes widerwärtige boshafte Lächeln überglänzte sie von Minute zu Minute strahlender, je in dem Maße, wie Rasinski mit den Nachrichten zufrieden zu sein schien. »Verfluchter Judas!« brummte Bernhard für sich. »Ich könnte dieser Physiognomie nicht trauen, und wenn diese Fuchsnase mir verspräche, mein Führer gerade ins Paradies zu sein. Doch Rasinski kennt seine Leute, das muß man ihm lassen!«
    Isaaks

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