1812 - Ein historischer Roman (German Edition)
Bericht war zu Ende; demütig stand er vor Rasinski und schien in tiefster Unterwürfigkeit dessen Befehle abwarten zu wollen. Dieser zog die Börse; des Juden Gesicht glänzte vor Freude; die Begierde nach dem Metall blitzte ihm aus den Augen. Als er aber vollends in der geöffnet dargereichten Hand eine Anzahl von Goldstücken fühlte, da brach er in die widerwärtigsten Dankbezeigungen aus. »Gott Abrahams!« rief er, indem er sich bestrebte, Rasinskis Hände zu küssen, »beschütze meinen Wohltäter, der mich nicht darben läßt in der Zeit des Elends und des Kriegs! Der Hunger würde meine Eingeweide zerreißen, daß ich heulte wie der heißhungrige Wolf im Winter, wenn ihr nicht mein großmütiger Retter wäret, edler Herr!« Rasinski machte eine abwehrende Bewegung und gebot ihm zu schweigen. Der Jude wollte sich entfernen und zog im Gehen einen kleinen ledernen Beutel hervor, um die Goldstücke Hineinzutun. Doch zu gleicher Zeit zog er unversehens einen zweiten ungleich schwerern Beutel, an den sich die Schnur des erstern angehäkelt haben mußte, mit heraus, und dieser fiel auf den Boden nieder. Isaak erschrak sichtlich und wollte danach greifen; Bernhard aber, der im Widerschein der Flamme das Gesicht des Juden beobachtet hatte, schöpfte im Augenblick Verdacht und sprang gleichfalls herzu, um den Beutel aufzuheben. Da das Gras hoch und die Stelle des Erdbodens gerade nicht vom Feuer beleuchtet war, so tappten beide einigemal vergeblich danach; endlich hatte Bernhard ihn zuerst. »Gebt her, mein lieber junger Herr,« rief Isaak sogleich, »es ist mein sauer erworbenes Gut. Was man jetzt nicht bei sich trägt, ist nicht sicher! Ich bitte euch, gebt.«
Der ängstliche Ton, mit dem er diese Worte sprach, seine hastigen Gebärden verstärkten nicht nur Bernhards Verdacht, sondern auch Rasinski wurde aufmerksam. »Hm! Schwer, sehr schwer,« sprach Bernhard absichtlich laut; »vermutlich lauter Gold?« Rasinski trat näher. »Ei bewahre!« rief Isaak, »ein wenig Silber und Kupfer, ein paar alte Dukaten dabei.« Zugleich streckte er den Arm hastig nach dem Beutel aus und wollte ihn ergreifen. Bernhard aber zog die Hand zurück, hielt die Börse gegen den Schein der Flammen und sprach noch lauter: »Silber? Kupfer? Was ich beim Schein des Feuers durch die Maschen glitzern sehe, scheint mir helles Gold zu sein!«–»Zeigt doch her!« sprach jetzt Rasinski und trat rasch heran. Lachend übergab er ihm den Beutel; der Jude wagte nichts einzuwenden, doch sprach er zitternd und mit demütig bittendem Tone: »Großmütigster Herr! Es ist das Wenige, was ich aus der Kriegsnot gerettet. Ihr werdet das Eigentum eines hilflosen alten Mannes nicht rauben.«
»Rauben?« sprach Rasinski verächtlich. »Bin ich ein Marodeur? Doch,« fuhr er mit drohendem Tone und Blicke fort, »du sollst mir nicht aufbinden, daß dieses Geld von länger her dein Besitztum gewesen. Meinst du, ich wisse nicht besser, was ein Jude deinesgleichen in Litauen ersparen kann? Wähnst du, ich würde dir glauben, du schlichest als Spion von einem Lager ins andere, und trügest diesen Schatz stets mit dir herum? Zehn Fuß tief im dichtesten Wald vergraben, würdest du ihn noch nicht sicher glauben. Und warum verleugnetest du, daß es Gold ist? Wo ist das Silber und Kupfer unter diesen neuen Dukaten? Bekenne, Jude, woher hast du dieses Gold?« Isaak zitterte an allen Gliedern; endlich sprach er stotternd: »Was mögt ihr denken, gnädigster Herr Oberst? Wie soll der alte Isaak anderes Gold besitzen, als woran er die sechzig Jahre seines Lebens gespart hat? Wo soll er es vergraben? Welcher Boden ist sein, daß er den Schatz wieder heben könnte? Und wenn ich's verhehlen wollte, daß ich etliche Dukaten erspart habe, so sagt mir doch, wann ist es geraten, seinen Reichtum laut auszurufen?«
»Elende Ausflüchte!« rief Rasinski. »Hier nimm dein Gold zu dir, ich begehre dessen nicht. Das aber sage ich dir! Schmelzen lasse ich's, und glühend sollst du es niederschlucken, wenn deine Zunge mir Lügen berichtet hat! Diese Dukaten sehen aus wie ein Judaslohn für wichtigere Nachrichten, als du mir gebracht. Hast du dem Feinde etwas verraten, mißlingt der Plan, den wir vorhaben, so zittere, denn du sollst mich fürchterlich kennen lernen!« Der Jude stand bleich wie der Tod da; seine Knie schlotterten; plötzlich warf er sich zu Rasinskis Füßen nieder und rief mit verzerrten Gebärden: »Gnade, Barmherzigkeit!« – »Gerechtigkeit!« donnerte Rasinski ihn
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